Donnerstag, 14. April 2016

Filmreview „High Rise“. Oder: Ist das wirklich Fiktion?

10.04.16

Heute ist der zweite Tag der Fantasy Filmfest Nights. 
Diesmal wird uns ein Film mit dem britischen Sahnehäubchen Tom Hiddleston serviert. 
Aus gegebenem Anlass hat der Ehemann beschlossen seine Eintrittskarte lieber jemand anderem zu überlassen. Ich vermute er hat das „Crimson Peak“ Trauma vom letzten Jahr noch nicht überwunden (Siehe Eintrag vom 15.10.2015). Dabei habe ich mich doch so zusammen gerissen. Kein entzücktes Quietschen während des Films und den Sabber hab ich nach der Vorstellung auch ganz ordentlich aufgewischt. 

Als ich in Köln eintreffe ist der Media Park ungewöhnlich leer, obwohl die Sonne scheint und den abendlichen Himmel mit einem Hauch von goldener Seide überzieht. Die Luft schmeckt nach Frühling und man spürt, dass die Winterkleidung langsam eingemottet werden kann. 
Doch über der Stadt liegt eine seltsame Stimmung. Ein lautes Summen schallt zwischen den Häuserwänden. Mein Blick richtet sich nach oben, doch ich kann nicht sehen woher dieses Geräusch kommt. Erst als ich auf den großen Platz vor dem Mediaturm ankomme erkenne ich, wie ein paar Häuserblocks weiter ein Polizeihubschrauber über der Stadt steht. 
Die Rotorblätter halten ihn in der Luft und doch schwebt er auf ein und derselben Stelle, wie ein Kolibri, der Nektar aus einer Blüte saugt. Er beobachtet die Geschehnisse direkt unter ihm. 
Ein Blick auf mein Smartphone verrät mir, was sich nur wenige Straßen weiter abspielt. Eine Kurden Demonstration ist eskaliert. Die Polizei muss Pfefferspray gegen Demonstranten und ihre Gegner einsetzen. Die Situation gerät außer Kontrolle. 
Gleichzeitig marschieren nur wenige Meter weiter, jede Menge, grölende Fußballfans auf, die umgeleitet werden müssen um nicht auf Fans der anderen Mannschaft oder Kurden, oder Gegendemonstranten zu treffen. 
Trotz der Sonne fröstelt es mich plötzlich. Ich tauche ein in den Schatten des großen Mediaturms. Dann beschleunige ich meine Schritte. Besser ins Kino, besser flüchten aus der Realität, die für mich in diesen Tagen so surreal wie ein Gemälde von  Salvador Dali wirkt. 
Und ich denk mir noch: Wäre cool, wenn du jetzt ein Foto von nem Hochhaus für deinen
Blog schießen könntest. Zum Glück hatte der Mediapark gerade ein Häuschen auf Lager. 

Im wunderschönen Residenz Kino angekommen, lehne ich mich entspannt im bequemen Ledersessel zurück. Meine Füße betten sich auf einem gepolsterten Hocker. Nobler kann man einen Kinoabend nicht bestreiten. 
Der Hauptfilm wird kurz vom Moderator vorgestellt und wir werden davor gewarnt, dass Tom Hiddleston die Hälfte der Zeit über nackt sein wird. Dies ist der Moment in dem der Ehemann aus irgendwelchen Gründen zu Hause ein Zeichen des Himmels zugesandt bekommt und sich mysteriöserweise dreimal bekreuzigt… naja, so stelle ich es mir jedenfalls vor. 
Ich sinke noch tiefer in meinen Sessel und spüre wie sich meine Gesichtsmuskeln bereits nach kürzester Zeit verkrampfen. Das liegt an meinem Dauergrinsen, denn der Moderator hatte recht. 
Ooooh ja! 
Aber gut, wischen wir den voyeuristischen Aspekt mal für einen Moment beiseite und widmen wir uns der Story (auch wenn ich zugeben muss, dass die überdurchschnittlich häufigen Duschszenen des Protagonisten nicht wirklich dazu beitragen die Konzentration aufrecht zu erhalten). 
„High Rise“ basiert auf dem gleichnamigen Roman von  J.G. Ballard, der in den 80er Jahren einige Science Fiction Romane lieferte, die verrückte, aber irgendwie erschreckend logische Zukunftsvisionen beschrieben. Die Betoninsel z.B. handelt von einem Autounfall auf einem Kreisverkehr, der so riesengroß und verbaut ist, dass der Verunfallte nicht mehr von nach Hause findet und dort sogar eine eigene Zivilisation antrifft. 
In „High Rise“ zieht Protagonist Dr. Robert Laing (Tom Hiddleston) in ein nagelneues, riesengroßes Hochhaus. Dieser Komplex funktioniert komplett autark. Es gibt dort ein Schwimmbad, eine Schule, einen Supermarkt, ein Fitnessstudio etc. Je länger Laing sich dort aufhält, desto mehr fühlt er sich in der abgeschotteten, eigenen Welt des Hochhauses wohl. Die Gesellschaft außerhalb der Betonwände macht ihm mehr und mehr Angst. Er bekommt Panikattacken, zieht sich aus der Außenwelt zurück und lebt bald nur noch hinter den Türen des „High Rise“. 
Aber nicht nur ihm scheint es so zu gehen. Die Bewohner der verschiedenen Stockwerke bilden mehr und mehr eine Parallelgesellschaft zur Außenwelt. 
In den unteren Etagen leben die Menschen mit dem geringsten Einkommen. Hier gibt es viele Kinder, ziemlichen Trubel, lautstarke Ehekrisen und wilde Partys. 
In den mittleren Etagen lebt die Mittelschicht. Sie fügt sich relativ widerstandslos in die Gesellschaft mit ein, genauso wie Robert Laing. Und ganz oben, im Penthouse, wohnt der Wohlstand. Der Architekt des Gebäudes (wunderbar porträtiert von Jeremy Irons) hat sich sogar einen riesigen, grünen Garten auf dem Dach geschaffen. 
Der Ärger beginnt als es in den unteren Etagen zu ersten Stromausfällen kommt. Das System ist überlastet, die Müllschächte schaffen es nicht mehr mit den Massen klar zu kommen, es gibt nur noch selten fließendes Wasser. 
Die Unterschicht protestiert, wird aber von der Oberschicht immer wieder in ihre Schranken gewiesen. Und so dauert es nicht mehr lange bis eine Revolte entsteht, die einen blutigen Feldzug, angeführt von Richard Wilder (Luke Evans) durch das Hochhaus nach sich zieht. 
Ok. So weit so gut. 
Jetzt kommt die Krux! 
Ich habe den Roman vor einem Jahr gelesen. J.G. Ballard treibt es in der Beschreibung des Aufstandes und Verfalls der Gesellschaft mit all ihren erschreckenden Abgründen so sehr auf die Spitze, dass man nach der Hälfte des Romans schon am liebsten aus dem Hochhausleben flüchten möchte. Man hofft immer noch darauf, dass sich doch noch alles zum Guten wendet und wird, ohne dass man es merkt, selber zum Protagonisten. 
Nämlich bei der Frage: Warum zum Teufel erkennen die Bewohner des „High Rise“ nicht, in was für Bürgerkriegszuständen sie plötzlich leben? Warum verlassen sie nicht einfach das Gebäude? Warum klappt man als Leser nicht einfach das Buch zu und verlässt selber den magenzerfressenden Alptraum aus Vandalismus, sexuellen Übergriffen, Orgien, Drogen, Frauenfeindlichkeit, Tierquälerei und Gewalt? 
Irgendwie hatte ich gehofft, dass die Verfilmung hier etwas schonender mit dem Zuschauer umgeht, etwas massentauglicher agiert. 
Wenn „High Rise“ eines richtig macht, dann ist es den Roman verdammt gut zu adaptieren. 
Auch im Kino wünsche ich mir ab der Mitte des Filmes endlich ein Ende des Alptraums. Ich möchte fliehen aus dieser düsteren Zukunftsvision. 
Warum quält mich diese fiktive Hochhaus Gesellschaft so? 
Liegt es vielleicht daran, dass ich ganz im Verborgenen hauchzarte Fäden vernehme, die sich bis in unsere Realität zwirbeln? 
Nein, so sind wir Menschen nicht, das können wir einfach nicht sein...
Aber ist das wirklich so? 



Wie im Buch, zieht sich der ursprüngliche Protagonist Laing auch im Film immer mehr in den Hintergrund zurück. Die Rebellen und die dekadente Oberschicht geraten in den Fokus und wir werden Zeuge von viel zu vielen, zwischenmenschlichen Abscheulichkeiten. Jeder will seinen Lebensstil durchsetzen, jeder ist sich selbst am nächsten, jeder übt auf seine Art und Weise Macht gegenüber anderen aus. 

Nach fast zwei Stunden ist die Tortur beendet und wir werden aus dem Hochhaus/dem Kino wieder auf die Straße, unsere eigene Realität entlassen. 
Der Hubschrauber kreist nicht mehr über der Stadt. Der wütende Mob wurde für einige Zeit wieder verdrängt. Zurück in die eigene Etage. Von oben schaut der Mediaturm auf mich herab. Im Dunkeln wirkt er bedrohlich und hat plötzlich erschreckende Ähnlichkeit mit dem Hochhaus aus dem Film. 
Mir wird bewusst: So sehr manchen Leuten die Welt hier draußen auch Angst macht, selbst wenn wir eine Schutzmauer um uns aufbauen, werden wir auch innerhalb dieser irgendwann wieder in die gleichen, gesellschaftlichen Strukturen rutschen. 

Mein Fazit: „High Rise“ ist definitiv ein sehr, sehr anstrengender Film, der viele Fragen aufwirft und die Antworten dem Zuschauer selber überlässt. Wer keine Angst vor so etwas hat, der kann sich den Film ab Juni 2016 in deutschen Kinos ansehen. Wer einen entspannten Kinoabend braucht, der sollte besser die Finger davon lassen.  
Ich bin mal gespannt was ihr so über J.G. Ballards Werk denkt. 
Bis dahin!
Stay Professional


P.S. Im Film enthalten sind übrigens zwei unfassbar tolle Coverversionen vom ABBA Ohrwurm: S.O.S. Einmal eine klassische Version von Komponist Clint Mansel und einmal von der Gruppe Portishead, die extra für diesen Song nach Jahren wieder zusammen im Studio war. Und jetzt das Problem: Beide Stücke sind nirgendwo erhältlich! Sie sind eigens für den Film komponiert worden und werden nicht veröffentlicht, selbst nicht auf dem offiziellen Soundtrack. Die Beissspuren meiner Zähne, nachdem ich das erfahren habe, sind immer noch in meinem Lenkrad zu finden. 

Vor der Vorstellung im Mediapark. Dazu lautes Hubschraubersummen. Aber stattdessen
zu Hause einschließen? Definitiv keine Option!
      




Sonntag, 10. April 2016

Filmreview „Moonwalkers“. Oder: Das hat nichts mit dem King of Pop zu tun!

09.04.2016
Was macht man an einem der ersten, Frühlings Wochenenden, dessen Temperatur endlich den Winter aus unseren Köpfen vertreibt? 
Richtig! 
Man geht nachmittags ins Kino. 
Zugegeben, in diesem Fall nicht die schlauste Freizeitbeschäftigung, aber wenn die Fantasy Filmfest Nights vor der Tür stehen, dann kann der Fan des Genrekinos einfach nicht nein sagen. 
An diesem Wochenende stellen ausgewählte Kinos in ganz Deutschland wieder einmal diverse Filme vor, die so entweder noch nicht in Deutschland veröffentlicht worden sind, oder hierzulande leider gar nicht erst ins Kino kommen werden (Aus unterschiedlichsten Gründen).
Letzteres ist bei dem Film „Moonwalkers“ der Fall. Bisher konnte ich im Internet noch kein Release Date für diesen Film, geschweige denn einen deutschen Trailer finden. Und das ist verdammt schade, denn mit diesem Werk habe ich beim Filmfest diesmal tatsächlich einen Glücksgriff gemacht. 
Das war nicht immer der Fall. 
Ich erinnere mich an einen deutschen Fantasy Film mit u. A. Götz Otto, den ich mir am liebsten heute noch aus dem Gedächtnis saufen möchte. „Mask under Mask“ hieß er. Die Intention war nett, die Umsetzung zum fremdschämen. Den verwirrten Blick meiner Freundin, die ich unbedarft mit ins Kino geschleppt hatte, werde ich nie vergessen. 
Heute habe ich den Ehemann mit eingepackt und hoffe, dass es diesmal kein Reinfall wird. Trailer und Story hatten mich jedenfalls schon überzeugt. 

Zur Feier des Tages hab ich meine Glitzer Sneaker angezogen. Ab heute werde ich sie liebevoll Moonwalkers nenen


Also, worum geht es in dem Film? 
Wir befinden uns in den 70ern. C.I.A Agent Kidman (gespielt von Hollywood Kante Ron Perlman, der in Filmen wie „der Name der Rose“ oder „Hellboy“ brilliert) erhält einen ungewöhnlichen Auftrag. Die Mondlandung steht kurz bevor, doch falls die Mission misslingen sollte, wollen sich die USA die Blöße nicht geben und stattdessen einen gefälschten Einspieler über die Mondlandung senden. Um diese Idee in die Tat umzusetzen braucht das Militär jemanden aus der Filmbranche. Die Wahl fällt auf 2001 Space Odyssee Regisseur Stanley Kubrick. Kidman wird nach London gesandt um den Regisseur ausfindig zu machen. Aufgrund einer dieser Hollywood typischen Verkettung von Missgeschicken, trifft Kidman aber nicht auf Kubricks Manager sondern den mittel- und talentlosen Musikmanager Jonny (gespielt von Harry Potter Star Rupert Grint). Der wittert seine Chance in Form eines Koffers voll Geld, den Kidman als Entlohnung für den fertigen Film anbietet. Und so nimmt die Katastrophe seinen Lauf. Jonny schickt seinen dauerbekifften Mitbewohner Leon (Robert Sheehan) als Kubrik Fälschung ins Rennen und schafft es damit tatsächlich Kidman zu überzeugen. Doch kaum ist das Geld in seinen Händen, wird es ihm auch schon wieder entrissen. Und noch viel schlimmer: Kidman hat nicht nur den Auftrag innerhalb einer Woche einen perfekten Film zu präsentieren, sondern auch sämtliche Mitwissende, anschließend um zu legen. Und so leicht lässt sich ein C.I.A Agent nicht abschütteln. 
Was soll ich sagen, die abgedrehte Story hat mich neugierig gemacht und sie hat mich letztendlich nicht enttäuscht. Der Film enthält sehr viele, lustige Momente. 
Es sind zwar seltener die plötzlichen Lachmomente, die einen bei manch anderem Film prustend aus dem Sitz springen lassen (wobei es da auch einige gab). Stattdessen hatte ich aber die ganze Zeit über ein breites Grinsen im Gesicht. 
Es hat wirklich Spaß gemacht zu verfolgen wie Kidman im dauerangespannten Zustand jeden vermöbelt, der ihm einfach zu sehr auf den Geist geht (manchmal wünsche ich mir das im wahren Leben auch. „Hey du, ich hab da mal ne Frage, also…“ SMACK! PAFF! Ruhe…). 
Doch auch die anderen Schauspieler machen ihren Job richtig gut. 
Angefangen bei Rupert Grint, der in seiner Rolle einfach nur liebenswert ist, über Robert Sheehan, als auch bei brillant besetzte Nebenrollen wie z.B. James Cosmo, der einen wunderbar, britischen Bösewicht mimt. 
Übrigens, auch ein reizvoller Faktor, der mich sehr anspricht: Die ewigen Sticheleien zwischen Amerikanern und Briten, bei denen sich die Briten wieder einmal gekonnt selber auf die Schippe nehmen. Nun muss man allerdings dazu sagen, dass wir den Film im O-Ton gesehen haben. Ob das bei der Syncro auch so rüber kommt, bleibt ab zu warten. 
Ein großgeschriebenes OBACHT geht an all die, die es nicht so gerne blutig mögen! 
Moonwalkers hat den ein oder anderen Splatter/Schockeffekt parat, den man anhand der Kurzbeschreibung vielleicht nicht erwartet. Für alle anderen, ist es definitiv sehr amüsant, wenn hier und da absolut schonungslos der ein oder andere Kopf mit der Pumpgun weggeblasen wird (Ja, es sieht so aus wie ich es beschreibe). 



Fazit: Ich stehe normalerweise nicht auf Kiffer Filme. 
Jay und Silent Bob sind zwar Kult, aber ich musste nach einiger Zeit umschalten. 
In Moonwalkers hüllen einen die Hippies der 70er ebenfalls in permanente Rauschzustände. Hier wird alles konsumiert was damals Rang und Namen hatte, aber genau diese Szenen machten hier die besten Lacher und vor allen Dingen wirklich gute, optischen Effekte aus. 
Wenn jemand auf den Flair und die Musik der 70 er Jahre steht, keine Angst vor gelegentlichen Splatter Momenten oder barbusigen Frauen hat, der ist hier absolut gut aufgehoben. 
(Moment mal? Hab ich da gerade unterstellt, dass es Leute gibt, die Angst vor barbusigen Frauen haben? Hmmm…). 
Es bleibt zu hoffen, dass der Film in Kürze zumindest auf DVD erscheint (Bei Amazon ist er bereits als Import erhältlich, aber halt nur im O-Ton). 
Wenn er euch über den Weg läuft, einpacken, mitnehmen, ansehen! 
Und ich bin gespannt, ob ihr den Abspann ebenfalls wie der gesamte Kinosaal bis zur letzten Minute schaut. 
So, der nächste Film auf meiner Fantasy Filmfest Nights Tour ist: High Rise. Mal sehen wie der so ist. Ich werde berichten. 

Bis dahin: 
Stay Professional!



Freitag, 8. April 2016

HobbitCon. Oder: Es ist alles Billys schuld!

03.04.2016

Wie konnte es nur soweit kommen? 
Tja, das frage ich mich heute immer noch. Sicherlich liegt es an einem angeborenen Gen, das ich von wem auch immer in die Wiege gelegt bekommen habe. Von meinen Eltern kann es nicht sein, denn die schütteln nur fassungslos den Kopf, wenn sie wieder einmal eine meiner Geschichten zu hören bekommen. Der der Moment an dem ich die finale Feuertaufe erhielt und endlich wusste wo ich hin gehöre, ereignete sich im Jahre 2004. 
Der Tag an dem ich begriff: Ich bin ein Nerd!

Der typische Nerd macht gerne Fotos auf denen er bescheuert aussieht. Naja, gilt jedenfalls für mich...
Na gut. Gleichgesinnte werden sofort den Finger heben und mich korrigieren: Du bist kein Nerd, du bist ein Geek. Für Details am besten mal Googeln. … Wobei… Halt! Ich erinnere mich da an einen Satz aus Wikipedia, den ich hiermit zitiere: Das englische Wort geek (vom mittelniederdeutschen Wort „Geck“[1]) bezeichnete in den Vereinigten Staaten im 19. und frühen 20. Jahrhundert Menschen, die im Rahmen von Sideshows auf Jahrmärkten und in Zirkussen lebendigen Tieren den Kopf abbissen. 
Okay. Schön zu wissen, dass Ozzy Osbourne ebenfalls einer von uns ist, ich beiße in meiner Freizeit allerdings lieber in eine Möhre. 
Aber genug abgeschweift...

In besagtem Jahre 2004 wagte ich mich zum allerersten Mal auf eine dieser Conventions von denen man bisher nur aus den USA gehört hatte. Diverse, klischeebehaftete TV Berichte hatten mich darauf vorbereitet, dass ich auf allerlei seltsame, Akne übersäte, übergewichtige und weltfremde Menschen treffen würde. 
Und doch tat ich diesen Schritt, in ein mir gänzlich unbekanntes Land. All das nur, weil ein Schauspieler Namens Billy Boyd auf der RingCon in Bonn angekündigt worden war. 
Ich hatte den Herrn der Ringe bereits so oft gesehen, dass ich die Dialoge mitsprechen konnte, hatte die Bücher verschlungen und spätestens dann beschlossen, dass Frodo ein Langweiler und der Nebencharakter Peregrin Tuk (Pippin) der viel coolere Hobbit ist. Er war schusselig, schaffte es in jedes, verfügbare Fettnäpfchen zu treten und hatte eine große Leidenschaft: Essen! 
Ich erkannte mich sofort in dieser Figur wieder. 





Pippin



Nachdem ich den ersten Schritt in das Foyer des Maritim Hotels in Bonn gewagt hatte, wurde ich sofort verschlungen von einer Atmosphäre, die sich ganz anders anfühlte als mir im TV prophezeit wurde. Ich tauchte ein in eine vollkommen andere Welt, wurde empfangen von Elben, Auenland Bewohnern, Ringgeistern und mir noch unbekannten Fabelwesen. 
Die Besucher überwältigten mich mit Kostümen, die ich so noch nie live gesehen hatte. Es war nicht ansatzweise zu vergleichen mit den polyesterverklebten Karnevalskostümen, die man einmal im Jahr im verregneten Rheinland präsentiert bekommt. Das hier waren Meisterwerke, die direkt aus dem Film zu kommen schienen. Ich konnte es kaum glauben als ich erfuhr, dass all diese Roben selbst geschneidert/selbst gebastelt waren. Ich sah bildhübsche Elben mit spitzen Ohren und Krieger in glänzenden Rüstungen. Das sollten diese seltsamen Nerds sein über die alle so lästerten? 

Ich schloss die Augen erinnerte mich an diejenigen, die in der normalen Welt da draußen lachend auf die ach so weltfremden Menschen hier drinnen zeigten. In einer Rückblende erinnerte ich mich dann an diese Normalos, wie sie grölend, mit vollgekotzter Plastikperücke und Bierflasche in der Hand, durch den karnevalistischen Stadtkern taumelten. 
Mir dämmerte langsam, dass mir diese so genannte „normale Welt“, irgendwie mehr Angst einjagte als die fantastischen Gestalten im Maritim Hotel. 
Hier war ich also, auf meiner allerersten Convention… und machte alles falsch was man falsch machen konnte. 
Zuerst trampelte ich gedankenverloren auf die prächtige Schleppe einer Elbin, stellte mich gefühlte Dutzend Male falsch an, setzte mich auf einen reservierten Platz und als ich endlich kapiert hatte wie der Convention Alltag so läuft, war der Tag auch schon wieder vorbei. 
Ja, ich trug zwar kein Kostüm, aber ich glaube an dem Tag war ich der beste Peregrin Tuk Cosplayer von allen. 
Aber in keinem Moment wurde ich von irgendjemandem für meine Tollpatschigkeit verurteilt. Alle waren hilfsbereit, erklärten mir wie was funktioniert, wiesen mir den Weg und hielten sofort einen freundlichen Plausch. So aufregend das Ganze auch war, ich fühlte mich wohl. 
Und dann passierte mein Highlight des Tages. 
Bei einem der so genannten Panels, bei denen man den Schauspielern Fragen stellen kann, steht Billy Boyd höchstpersönlich auf der Bühne. Ich sitze in einer der allerletzten Reihen auf der Empore im Hauptsaal des Maritim. Doch auch von hier aus hat man die Möglichkeit, sich per Mikrofon mit dem Stargast zu unterhalten. 
Und ich wage es. 
Ich stehe auf, das Spotlight schwenkt auf mich, alle Köpfe im Saal drehen sich zu mir um, Billy sieht mich an… und ich vergesse was ich fragen wollte. 
Vor lauter Verzweiflung schiebe ich eine alternative Frage nach, die allerdings auf sämtlichen DVD Specials, bereits von vorne bis hinten durchgekaut wurde. Doch Billy antwortet tapfer und ich setze mich mit schlackernden Beinen zurück auf meinen Platz. Aber selbst nach dieser Blamage, werde ich von meiner Sitznachbarin gelobt. „Ich hätte mich das nicht getraut“, sagt sie anerkennend. 
Nun, man könnte meinen, dass ich nach dieser Odysse erst einmal genug von Conventions hatte, doch genau das Gegenteil war der Fall. Zurück draußen in der normalen Welt, verspürte ich plötzlich eine Leere und Verlorenheit, die ich zuvor nie richtig zuordnen konnte. Verschwunden waren die ganzen Menschen, mit denen ich endlich mal über meine nerdigen Leidenschaften quatschen konnte. Ich erlebte meinen ersten Conblues. 
Ich wollte zurück. 
Und das tat ich auch. 

Es folgten unzählige, weitere Conventions. Ich schloss neue Freundschaften, wurde Teil der Familie, erdachte mir selber Cosplays und auf dem Höhepunkt war plötzlich ich es, die vorne auf der Bühne des großen Saals im Maritim stand und das Programm mitgestalten durfte. Ich hielt Vorträge und stand Backstage Seite an Seite mit Schauspielern, Autoren und Lektoren (… vielleicht werde ich davon auch mal berichten). 
Trotzdem ist das Allerschönste an solch einer Convention, einfach wieder Gleichgesinnte zu treffen und zu wissen, dass man hier nicht für seine Leidenschaften verurteilt wird. 

Letztes Wochenende fand dann die allerletzte Hobbit Convention (ein Ableger der RingCon) in Bonn statt. 
Schweren Herzens hatte ich dieses Mal nur ein Tagesticket gekauft. Zu viel um die Ohren, zu viel Stress in der realen Welt. Dieses Mal würde ich zurück zu meinen Wurzeln kommen und wieder dort sitzen, wo ich vor 12 Jahren die langweiligste Frage meines Lebens gestellt hatte. 
Doch dieses Mal würde ich es besser machen.


Billy Boyd steht auf der Bühne. Von hier oben sieht er so klein und unscheinbar aus und doch nimmt sein freundliches Wesen den kompletten Saal ein. Er trägt einen Bart, den hatte er vor 12 Jahren noch nicht. Dafür ist sein Haupthaar lichter geworden und viele graue Strähnen verraten, dass die Zeit auch bei ihm Spuren hinterlassen hat. Es tut so gut dies zu sehen. Hollywood gaukelt uns so viel Perfektionismus vor, doch ich sage euch: Glaubt den Blendern mit ihren Kamerafiltern kein Wort. Auch Schauspieler sind ganz normale Menschen. 
Wobei ich sagen muss… na gut… einige von Ihnen sehen tatsächlich verdammt gut aus. Aber dazu später. 

Auch diesmal wage ich es wieder und trete an das Mikrofon. Doch als das Spotlight auf mich geschwenkt wird, schießt mir erneut das Adrenalin durch den Körper und presst eine unangenehme, heiße Woge durch meine Adern. 
Billy winkt mir zu und witzelt darüber, dass ich so weit weg bin und er mich kaum erkennen kann. Ich sage das Gleiche über ihn.

 „Billy, vor 12 Jahren stand ich genau an dieser Stelle. Damals habe ich eine ziemlich blöde Frage gestellt. Das soll mir nicht nochmal passieren. Daher meine Bitte: Gibt es eine Frage, die du dir schon immer mal bei einem Panel gewünscht hast?“ 
Billy lacht, und seine Finger fahren verlegen durch den graumelierten Bart. 
„Verdammt… mir fällt tatsächlich nichts dergleichen ein“, gesteht er. „Ich kann dir aber sagen welche Frage ich am dämlichsten fand. Das war auf einer Pressekonferenz. Ein französischer Journalist sagte: Hey, du hast ja im ersten Teil vom Herrn der Ringe mitgespielt. Ich habe gesehen, dass du auch im zweiten Teil dabei bist. Welchen Protagonisten spielst du denn dort?“ 
Der Saal lacht. 
Billy verdreht die Augen. „Was für ne blöde Frage“, kichert er. „Glaubt der wir würden in den Rollen rotieren? Klar, beim nächsten Mal spiele ich einfach Aragorn.“ 
Nach einem kurzen Plausch bedanke ich mich, doch bevor ich aus dem Spotlight verschwinde ruft er mir noch zu: „Vielen Dank fürs Kommen. Es ist schön, dich nach all der Zeit wieder dort oben zu sehen.“ 
Worte, die mich in weiche Watte packen und mich sanft zu meinem Sitzplatz tragen. 

Billy Boyd schreibt Autogramme

Die Convention geht von Freitag bis Samstag, doch ich habe nur einen Tag um alles auf zu holen, was andere in drei Tagen erleben können. Die meiste Zeit verbringe ich damit, vollkommen dehydriert von einem Termin zum nächsten zu fetzen. 
Da gibt es Fotosessions, Autogrammstunden, Lesungen, Panels und natürlich will ich alle meine Con Bekanntschaften wenigstens kurz begrüßen. Es ist einfach nicht richtig, jeden dieser mir ans Herz gewachsenen Menschen im Schnelldurchlauf ab zu fertigen. Ich hoffe sie nehmen es mir nicht übel. Andererseits, es sind Con Gänger, wenn die nicht Verständnis dafür haben, wer dann? 

In der Autogrammstunde treffe ich erneut auf Billy, dann mache ich noch ein Foto mit ihm. Zuguterletzt beschließe ich mir noch ein Autogramm von Craig Parker zu holen, einem neuseeländischen Schauspieler, der im Herrn der Ringe nur eine kleine Rolle hatte (Haldir). Doch dieser Mann hat so eine offene und fanfreundliche Art, dass er mich 2004 sofort in seinen Bann gezogen hatte (ja, auch ihn sah ich 2004 zum ersten Mal). 
Craig ist einer der ersten Schauspieler, die ich mag, aber (und jetzt schlagt mich nicht), bis auf den Herrn der Ringe KEINEN EINZIGEN FILM ODER SERIE gesehen habe. (Und dabei hatte er so einige Rollen. U.A. bei NCIS oder eine Hauptrolle in der Serie Spartacus). 
Tatsächlich ist er eher der nette, junge Mann von Nebenan (ok, ich korrigiere mich… das heiße Gerät von Nebenan), den man irgendwie durch Zufall kennengelernt hat. 
Leider quatscht dieses Gerät allerdings auch sehr gerne und sehr lange mit jedem einzelnen Fan, weswegen ich eine Lesung von Bernd das Brot Erfinder (und Ex RTL Samstag Nachtler) Tommy Krappweis verpasse. 
Doch die HobbitCon hat genug Programmpunkte und so erlebe ich ein weiteres Panel von Schauspieler Ryan Gage (Alfrid aus „Der Hobbit“ Trilogie) sowie John Bell („Der Hobbit“, „Doctor Who“). 

"Der Gerät" beim Autogramme schreiben

Ryan Gage, John Bell und Mark Ferguson

Danach betreten Graig Parker, Mark Ferguson und Lori Dungey die Bühne und bieten uns eine Improvisationsshow, die mir tatsächlich vor Lachen die Tränen in die Augen treibt. Weitere Tränen fließen allerdings auch bei der Closing Ceremony bei der ein Fan-Chor zwei Lieder aus den Filmen präsentiert. Dieser Moment beschert mir eine Gänsehaut, die sich auf der Haut sämtlicher anderen, Anwesenden fortsetzt. 

Bevor sich alle verabschieden, zückt Billy Boyd die Gitarre und singt das Lied „The last Goodbye“ aus dem letzten Hobbit Teil. Im Saal kann man eine Stecknadel fallen hören. Es ist vorbei. Die allerletzte HobbitCon schließt ihre Pforten. Ich kann mit Stolz behaupten, dass ich auf jeder HobbitCon war, die in Deutschland stattgefunden hat und sie wird mir fehlen. 
Doch nach der Con ist vor der Con und so hat der Veranstalter für nächstes Jahr bereits eine neue, Fantasy Convention angekündigt und ich bin sicher, das Maritim in Bonn bleibt weiterhin die zweite Heimat von uns Nerds und Geeks. 

Spätestens im Mai, wenn die FedCon ihre Pforten öffnet und uns erneut in eine fremde Welt befördert, bzw. in diesem Fall beamt! ;-)
Ich werde berichten. 

Bis dahin: Stay Professional!

Billy Boyd on Stage

Deutschstunde mit Billy Boyd und Mark Ferguson. "Das ist mein Stuhl!"


Graig Parker, Mark Ferguson und Lori Dungey verdecken Smaugs "Pornobalken"

Fragt nicht...

Oh... wie ist jetzt dieses verwackelte Bild auf meine Kamera gekommen...

Wie schon gesagt... fragt nicht.... Improvisationstheater... 

... oder doch Porno?

Ja. Eindeutig Porno...



Jed Brophy und Mark Hadlow kommen hinzu


Die Zwergendarsteller singen ebenfalls

The last Goodbye...


Unbedingt anschauen! Video, dass über das Wochenende (nicht von mir!!!) zusammengestellt wurde! Ist wirklich toll geworden! 




    

Samstag, 2. April 2016

The Voice of Germany. Oder: Sch... die Wand an, sind die gut!

Dieser Text enthält einige Geständnisse. 
Das erste Geständnis ist: Ja, ich habe mich bei „The Voice of Germany“ beworben. 
Das zweite Geständnis ist: Nein, nicht zum ersten Mal. 
Und das Resultat dieser ganzen Aktion ist: Nein, ich habe heute leider kein Foto bekommen (Ach nee. Moment. Falsches TV Format). 
Wem diese drei Dinge als Information schon reichen, der kann nun getrost aufhören zu lesen. 
Ehrlich! 
Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen, gehen Sie nicht über Los, ziehen sie keine 2000 Mark ein. 
...
...
Was? 
Ihr lest immer noch? 
Was stimmt mit euch nicht? 
Ich bin nicht weiter, ich schwöre, das ist keine Übung. Kein Aprilscherz. Just in diesem Moment sitze ich in meinem Ringelschlafanzug an meinem PC und nicht in einer goldenen Stechlimousine, die mich von einem roten Teppich zum nächsten karrt. 
„A Star is born!“. Vier Worte, die auf mich nicht zutreffen. Viel mehr „A schwarzes Loch is hiding behind a dicke Wolkendecke!“ Aber soll ich euch mal was sagen? Ich hab heute nen Rapper kennengelernt und hatte eine Gänsehaut in der Größe des Himalayas. Und zwar nur wegen… ach, ich fange besser von vorne an. 

Wie läuft so ein Casting eigentlich ab? 
Nun, da gibt es unterschiedliche TV Formate. 
Bei DSDS sucht man die Leute raus, die am besten nicht bis 10 zählen können, aber mit einem herausragenden Balkon bzw. Waschbrettbauch ausgestattet sind. 
Glaubt ihr nicht? 
 Hier kommt Geständnis Nr. Drei: Ja, ich habe mich vor 100 Jahren bei der ersten Staffel von DSDS beworben. 
Das Casting lief wie folgt ab: Wir wurden alle zusammen in einen unbelüfteten Raum ohne Stühle gepfercht. Dann ging irgendein Anzugträger mit zurück gegeelten Haaren durch den Raum, gefolgt von zwei Damen, die sich eifrig Notizen machten. Der Talentscout entdeckte sofort welcher Bewerber / welche Bewerberin wohl eine super Stimme hat. Und dieser Mann muss es echt drauf haben, denn er konnte dies nur anhand der Form des jeweiligen Resonanzkörpers erkennen. Alle die nicht der körperlichen Norm für DSDS Kandidaten entsprachen wurden sofort aussortiert und kamen in den Pool: „Langweilige Normalos, mit denen RTL keine Quote machen kann.“ 
Tja, ich landete im Langweiler Pool und rede mir jetzt einfach mal ein, dass es daran lag, dass ich bis 11 zählen kann. 

ABER es gibt auch gute Castings und da muss ich für „The Voice“ einfach mal eine Lanze brechen. Im Jahre 2013 war ich für eine Filmpremiere nach Berlin gereist und am gleichen Wochenende fanden dort auch die „The Voice“ Castings statt. Also versuchte ich dort mein Glück. Die Mitarbeiter waren wahnsinnig freundlich. Man musste nicht lange warten und wurde umgehend ins Pre-Scouting gerufen. (Pre-Scouting bedeutet, dass man die Möglichkeit hat ganz kurz A Kapella, eine Strophe vor zu tragen und so zu überzeugen). 
 Nun muss ich allerdings sagen, dass ich damals doch recht naiv war und mich nicht richtig vorbereitet hatte. Ich hatte kaum geübt und ja, für diese Aktion gehören mir heute immer noch die Ohren lang gezogen. Umso überraschter war ich, als ich vor ein paar Monaten plötzlich eine Mail vom "The Voice" Team erhielt. Man fragte warum ich die letzten beiden Jahre nicht zum Casting gekommen wäre, und dass man doch noch großes Interesse an mir hätte. Ich dachte erst, irgendjemand würde mich verarschen, aber die Redakteurin schrieb mich erneut an und ermutigte mich, obwohl ich erst einmal einen Rückzieher machte. 
 Tja, und so stand ich heute Nachmittag letztendlich doch vor einem Hotel in Köln und wartete auf meine Chance. Diesmal auch ordentlich vorbereitet. 
Damit mich keiner erkennt bin ich mal lieber inkognito hin gegangen. Dummerweise sind mir dann ein paar komische Äste aus dem Kopf gewachsen und das sah dann auch irgendwie Scheiße aus. 

Als ich vor dem Hotel stehe, rutscht mir dann aber doch das Herz in die Hose. Vor dem Eingang spielen sich Szenen ab, die man aus jeder Casting TV Show kennt. Kleine Mädchen brechen in Tränen aus, werden von Mama oder dem Freund in den Arm genommen und nach Hause begleitet. 
 In dem Moment begreife ich was „The Voice“ tatsächlich bedeutet. Das ist nicht der Gesang, sondern die Stimme in meinem Kopf die sich überschlägt und mich anbrüllt: „Was willst du hier? Sieh zu, dass du Land gewinnst!“ 
 Je näher ich dem Foyer komme, desto mehr zieht mich irgendeine imaginäre Kraft an meiner Jacke wieder Richtung Ausgang. Nein, ich gehöre hier definitiv nicht hin. 
 Zwischen vielen Möchtegern Sängern/Sängerinnen und einigen unüberhörbar, beeindruckenden Talenten klafft eine wirklich große Kluft. Und in dieser Kluft sitze ich. 
Ein Mädel vom Lande, Sängerin in einer Garagenband und einer bestimmt nicht ganz so üblen Stimme. Aber der Weg zur anderen Seite der Schlucht ist so unglaublich steil, und ich doch so schrecklich unsportlich. 
 Im Foyer tummeln sich dutzende Bewerber. Das wird wohl länger dauern. Doch wieder überrascht mich das Team. Man begrüßt mich mit den Worten, dass ich schon erwartet werde und mich nicht mehr anstellen muss. Ich wandere schnurstracks an den Pre-Auditions vorbei und werde ohne Umweg in die nächste Casting Stufe gepackt. Ein Moment, der sich anfühlt als hätte man mich von oben bis unten mit warmem Honig übergossen. 
Wow! Heißt also, dass ich wohl doch nicht sooo scheiße singe! 

 Die nächste Stufe beinhaltet das Singen vor einer etwas hochkarätigeren Jury. Diesmal mit Mikrofon und Musik. 
Wir sind eine kleine Gruppe von 6 Leuten. Ich stelle schnell fest, dass ich doch ein klein wenig älter als meine Mitstreiter bin. Ok, ich könnte quasi die Mutter meiner Konkurrenten sein. Ich rede mir ein, dass ich dafür mehr Erfahrung habe und den Rest der Bande problemlos ausstechen kann. Wie sehr ich mich da doch täuschen sollte. 
 Neben mir sitzt ein rotwangiger Typ mit Baggy Hose und einer Kappe, die gerade mal mit dem Rand auf seinem Haupthaar aufliegt. Dieser Anblick reizt mein innerliches Verlangen, ihm das Ding einfach so aus Spaß herunter zu pusten. Mach ich natürlich nicht. Der arme Kerl ist mindestens genauso nervös wie ich und verwickelt mich schließlich in ein Gespräch. 
 Naja, mit Gespräch meine ich einen Monolog ohne Punkt und Komma. Ich bin sicher er heißt entweder Dennis oder Kevin. Jedenfalls erzählt er mir, dass er Rapper ist und auf dem aktuellen Album von Pietro Lombardi mitgerappt hat. Und dass das Album ja auf Platz 1 in den Charts ist und dass er auch auf Facebook ist und dass er da voll viele Follower hat und dass er wahrscheinlich wegen der Lombardi Sache vom „The Voice“ Team angesprochen wurde und dass das Album ja auf Platz 1 in den Charts war (was er anschließen noch ungefähr zehn Mal erwähnt). 
 Ich entnehme seinem leicht erhitzten Gesicht, dass er nach diesen äußerst wertvollen Informationen jetzt die Frage nach seinem Namen erwartet. Doch als ich endlich zu Wort komme quittiere ich ihm nur freundlich: „Das ist aber toll.“ 
 Dann widme ich mich meinem Handy und chatte mit einer Bekannten auf Facebook. (Ja, ich weiß. Ich bin ein Arsch).
 Der junge Mann wird dadurch noch nervöser und erzählt die KOMPLETTE Story noch einmal meiner Sitznachbarin (die meines Erachtens vorher nicht mit zugehaltenen Ohren neben uns gesessen hat und somit jetzt bestimmt was gaaaanz Neues erfährt). 
 Der Facebook Chat beruhigt mich und lenkt mich von den Geschehnissen neben mir ab. Meine Bekannte sitzt ebenfalls irgendwo hier in diesen Räumlichkeiten und wartet auf ihr Vorsingen. Es tut gut sich mit ihr aus zu tauschen. 

 Nach einer Weile werden wir gemeinsam zur Jury gebeten. Als der erste Kandidat vortritt, lehne ich mich siegessicher auf dem Stuhl zurück. Die Halbstarken werde ich doch mit Links in die Tasche stecken. 
 Ein kleiner, pummeliger Junge von gerade mal 16 Jahren setzt sich an ein E-Piano und räuspert sich. 
Na, jetzt bin ich ja mal gespannt. 
Als er den ersten Ton singt, werde ich von einer steinharten Faust, gnadenlos und mit voller Wucht mitten ins Gesicht getroffen. 
MEIN LIEBER HERR GESANGSVEREIN! 
Noch nie hat dieser abgedroschene Spruch besser gepasst. 
Wie kommt so ein unscheinbarer Junge zu solch einer unfassbar rauen und atemberaubenden Stimme? Ich bin sofort hin und weg und verdammt, wenn der nicht weiter kommt, dann brenne ich die ganze Hütte hier vor lauter Empörung ab. 
 Das Casting entwickelt sich zu einem Konzert bei dem ich plötzlich nur noch zuhören und genießen möchte. Er darf sogar noch einen zweiten Song singen und diesmal versucht er sich an einer Ballade von Andreas Gabalier. Ich hasse diese Art von Musik, ich kann Gabalier nicht ausstehen und doch schafft es dieser 16 Jährige, mir mit seiner Stimme die Tränen in die Augen zu treiben. Das ist der Moment in dem ich begreife, dass es für mich unmöglich sein wird die Schlucht zu erklimmen, die dieser junge Mann mit Leichtigkeit meistert. Ausgerechnet  in dem Moment als der Klos in meinem Hals so angeschwollen ist, dass ich kaum noch schlucken kann, werde ich aufgerufen. 
Ja, ich gebe mein Bestes und ja, ich behaupte mal dass ich nicht schlecht bin, aber ich weiß, dass ich nicht ansatzweise mit den anderen Kandidaten im Raum mithalten kann. Ich bin froh als ich es endlich hinter mir habe und spüre wie die ganze Anspannung von meinen Schultern abfällt. Die Kandidaten nach mir reihen sich ein in die Riege der Talente, die mich spielend abhängen. 
Selbst Kevin… Dennis… wat weiß ich, beweist, dass er wirklich rappen kann!
 Nach kurzer Zeit bekomme ich dann das erwartete Ergebnis mitgeteilt. 
Hoecker Sie sind raus! 
Aber man sagt es mir freundlich, motivierend und respektvoll. Nicht zu vergleichen mit der abscheulichen Dieter Bohlen Art, die nur darauf aus ist Quote mit heulenden Teenagern zu erwirtschaften. Die Leute von "The Voice" sind klasse, das muss ich hier einfach mal lobend anerkennen. 
 Als ich nach zwei Stunden wieder vor die Tür trete, atme ich tief ein und fühle mich erleichtert. Weg ist der Zwang und die Angst. Endlich kann ich wieder im Auto singen ohne auf genaue Töne zu achten, ohne mir den Text merken zu müssen, ohne mir aus zu malen was wäre wenn. Einfach nur singen und dabei frei sein. 

Setzen, Sechs!
Das Bild entstand übrigens nach dem Casting im schönen Ehrenfeld.
Da ist es wirklich schön! ... Ehrlich!

 Draußen treffe ich auf meine Bekannte. Sie hat es auch nicht geschafft, ist aber keinesfalls traurig sondern sieht das Ganze mehr als Probe an. Sie will es nächstes Jahr noch einmal versuchen. Ein Plan den ich allerdings momentan nicht ins Auge fassen möchte. Es gibt auf dieser Welt einfach so viele Talente, ich habe sie erlebt und sie haben es so sehr verdient. 
Ich bin gespannt. Der Gabalier Junge… ich wette darauf, dass wir ihn in den kommenden Blind Auditions im TV wiedersehen werden. Wer wettet mit?

Bis dahin: 
Stay Professional 

Ok. Kleines, cremiges Trostpflaster muss sein.