Sonntag, 12. Februar 2017

Torsten Sträter. Oder: Ode an ein Unterhemd

Wenn das mit Blut, Öl und Schweiß getränkte Feinrippunterhemd von Bruce Willis sprechen könnte, es hätte die Stimme von Torsten Sträter. Es ist diese tiefe Klangfarbe, die sich anfühlt wie geschmolzener Käse, auf dem sich im Ofen bereits eine hauchzarte Kruste gebildet hat… aber ich schweife ab.
Tatsache ist: Torsten Sträter ist mein Idol!
Das meine ich ernst!
Als ich das erste Mal von ihm gehört bzw. gelesen habe stand für mich fest: „Ich will so sein wie der!“
Ok, ... also kein bärtiger Mann mit Mütze und Schilddrüsenproblemen. Ich meinte damit eigentlich die Eloquenz, mit der er mich mit seinen Texten immer wieder fesselt.
Der Typ hat es einfach drauf und schafft es trotzdem, nicht jene, überhebliche Art an den Tag zu legen, wie mancher Poetry Slammer, der einem zuweilen die exotischsten Satzpartikel an den Kopf ballert, die meine Omma selbst als Kreuzworträtselprofi nicht gekannt hätte.
Mein Blog klingt gegen Sträter wie ein Teletubby, der verzweifelt versucht zu erklären, dass er jetzt gerne Erdbeerpudding essen möchte.
 
Hat der da ein Herzchen draufgemalt?!?! EIN H.E.R.Z.C.H.E.N?!?  Awwwww!

 
Gestern Abend durfte ich Sträter zum allerersten Mal Live erleben und es war, um es in meinen Worten auszudrücken, MEGA GEIL! Ich bin froh, dass ich einen gut trainierten Beckenbodenmuskel habe, sonst hätte der ein oder andere Lachanfall ein Malheur ausgelöst, von dem die Putzfrau der Veranstaltungsstätte in Wermelskirchen noch lange berichtet hätte.
 
 
Bester Spruch des Abends (dabei kann ich mir sonst nie sowas merken). Zitat:
 
"Sie wohnen ja schön ländlich hier. Als ich am Ortseingangsschild vorbei gekommen bin stand da Pferdeboxen. ... ... Und ich find doch Hundekämpfe schon schlimm."
 
- Torsten Sträter-
 
Nach dem Auftritt kommt es dann zu meinem ersten Zusammentreffen mit dem Meister.
Es ist der Moment, in dem ich so viel sagen will, in dem ich ihm vor die Füße fallen und Lobeshymnen rezitieren möchte, die nicht annähernd beschreiben können wie genial ich ihn finde.
Aber auf mein Selbstbewusstsein ist wie immer Verlass...
Als ich vor ihm stehe schrumpft mein Sprachschatz auf den eines Einjährigen zusammen und ich bin froh, dass ich wenigstens meinen Namen zustande bekomme.
Egal!
Er hat mein Buch signiert, ich habe die gleiche Luft geatmet (was dann irgendwie doch etwas seltsam klingt, insbesondere wenn selbiger Held zuvor einen sehr langen Vortrag über Flatulenzen gehalten hat) und ich habe mich nicht vollkommen blamiert. Glaube ich zumindest.
 
In diesem Sinne
Stay Professional
Der bemützte Mann vor mir muss grad was unfassbar lustiges gesagt haben. Vermutlich hat er mich einfach nur nach meinem Namen gefragt.. ich erinnere mich an nichts mehr.
 

Sonntag, 5. Februar 2017

Greenhorn. Oder: Warum das hier kein Hair Tutorial wird.

05.02.2017

Es gibt Dinge, die sollte man einfach nicht tun.
Dazu gehören unter anderem:
Kochendes Wasser trinken, mit 150 Km/h vor eine Betonwand fahren oder aber mit einer Gabel in einer Steckdose herumporkeln.
Das kann man machen, man sollte sich aber nicht wundern, wenn es einem danach körperlich nicht ganz so gut geht.
Ich bin da ja eher der Skeptiker.
Was, wenn das alles nur fantastische Horrorszenarien der Lügenpresse sind?
Was wenn es gar nicht so schlimm ist?
Jene Art von Skepsis, gepaart mit einem Schuss Abenteuerlust, hat schon in meiner Kindheit dazu geführt, dass die Herdplatte erst dann als tatsächlich heiß anerkannt wurde, wenn die Haut der Handinnenfläche daran kleben geblieben ist. Da konnte Mutter vorher noch so viel predigen.
Ähnliche Neugier verleitete mich in meiner Jugend im Übrigen auch dazu diverse Elektrogeräte genauer unter die Lupe zu nehmen.
Wie konnte es sein, dass aus einem Walkman Musik kam? Wie funktionierte das?
Mein Physiklehrer hätte mir noch tagelang die besten Folgen der Knoff Hoff Show vorführen können. Meine Meinung war: Joachim Bublath lügt und ich glaube es erst, wenn ich es mit meinen eigenen Augen gesehen hatte.
Also wurde das gute, alte, mobile Kassettenabspielgerät schneller in alle Einzelteile zerlegt als meine Eltern mir den Hintern hätten versohlen können.
Doch diese Art der Strafe war gar nicht nötig, saß ich doch am Ende vor einem Schrauben- und Platinenhaufen, gegen den die Einzelteile einer Ikea Kommode wie eine gut sortierte Bibliothek wirkten. Niemand konnte das Ding wieder zusammensetzen. Nicht mal der Radio- und Fernsehtechniker.
 
Aber aus Fehlern lernt man… Sollte man meinen.
Man sollte auch meinen, dass ich inzwischen eine erwachsene Frau bin. Tief im Herzen bin ich aber immer noch das zwölfjährige Mädchen, das dem Papa Sekundenkleber auf die nagelneue Schreibmaschine geschmiert hat um zu testen ob seine Finger daran klebenbleiben (aber das ist eine andere Geschichte).
So kam es also, dass ich eines Morgens im Badezimmer stand und mir dachte: "Was passiert eigentlich, wenn ich mir diese quietschblaue Farbe in meine frisch blondierten Haare schmiere?" Nun was soll ich sagen. Es sah tatsächlich ganz gut aus. Für die ersten drei Sekunden in denen die Farbe meine Haare touchierte. Dann mutierte das Blau plötzlich zu einem Chemieunfall-Grün und mein Gehirn, dass nur wenige Zentimeter unter dem Haaransatz plötzlich befürchtete bleibende Schäden zu erleiden, stieß eine letzte Warnung aus. Ich gehorchte. Bevor die Haarfarbe sich überhaupt richtig verteilt hatte, wurde sie schon wieder abgespült. Ob ihr es glaubt oder nicht, das Resultat sah eigentlich ganz gut aus!
Ehrlich!
Ein pastelliger Ton schmückte meinen Haaransatz, eigentlich genau das was ich mir erhofft hatte. Dummerweise erstreckte sich dieser Farbton nur über Teile meines Haupthaars, da ich die restlichen Strähnen vor Schreck gar nicht erst eingefärbt hatte.
Ich hatte nun also einen pastellblau-grün-gefleckten Leopardenkopf.
Nach fünf Haarwäschen und keinerlei Veränderung wurde mir bewusst, dass diese Idee mit den bunten Haaren irgendwie doch nicht die beste war.
Aber was nun? Selber daran weiter fummeln oder doch lieber jemanden kontaktieren, der sich damit auskennt.
Ich entschied mich für die zweite Variante… und machte damit einen kleinen Chemieunfall zu einer nuklearen Katastrophe.
Das zwölfjährige Mädchen in mir wurde trotzig und der falsche Stolz ließ  nicht zu, dass ich zu meiner Stammfriseurin ging.
Was sollte die denn von mir denken?
Nein, einfach heimlich woanders hin, dann fällt das nach drei Wochen bestimmt gar nicht mehr auf. … Dachte ich.
 
Im Ausweichsalon sah man mich an als hätte ich zu viele bewusstseinserweiternde Substanzen zu mir genommen. Dabei fand ich die Farbe ansich doch eigentlich richtig cool! Ich wollte sie nur gleichmäßig auf meinem Kopf verteilt haben.
Das schien für die Mitarbeiter dort aber ein Ding der Unmöglichkeit. Mir wurde ein zweistündiger Vortrag gehalten wie blöd ich doch war und dass diese spezielle Farbe, nie wieder raus zu bekommen sei.
Alternative wäre: Haare dunkel färben oder „wat knalliges drüber“.
Das war die falsche Aussage, denn wer mich kennt der weiß: Bei bunt und knallig leuchten glitzernde Herzchen in meinen Augen.
 
„Pass auf, isch tu dir da blaue Strähnschen drauf machen“, sagt die Dame im Ausweichsalon und dann nimmt das Unglück seinen Lauf. Während ich in meiner Fantasie noch von wellig, blauem, Prinzessinnen-Mermaid Hair träume, färbt sie etwas auf meinen Kopf, das mein Leben auf eine drastische Art verändern sollte.
Im ersten Moment sieht es sogar noch ganz nett aus, doch als ich ans Tageslicht trete, scheint es als hätte man mich in eine Parallelwelt gebeamt.
Irgendetwas ist anders. Meine Mitmenschen verhalten sich ...seltsam.
Ich wechsle wirklich ständig meine Haarfarbe und habe schon die verrücktesten Farbkombinationen ausprobiert, aber noch nie, NOCH NIE (!) sah ich aus wie ein Schalke 04 Streifenhörnchen auf einem LSD Trip!
Darauf kommt mein Umfeld irgendwie gar nicht klar. Es sind lächerliche zwei Minuten, die ich vom Friseursalon bis zur nächsten Bäckerei brauche.
Zwei Minuten in denen ich ein letztes Mal das Gefühl habe, irgendwie cool aus zu sehen.
Es ist der Moment als die Bäckereifachverkäuferin aufblickt und vor Schreck fast kopfüber in die Teilchenauslage fällt.
„Ach du Scheiße! Sind das ihre echten Haare?“
In meinem Herz zerbricht irgendetwas, aber ich schlage mich wacker. Ich wollte es bunt, also stehe ich auch dazu. 
Wenn man die alternativen Fakten betrachtet, sieht das hier wunderschön aus! :-)



Doch die Blicke meiner Mitmenschen werden plötzlich wie von einem viel zu starken Magneten angezogen.
Sie blenden alles, was mich ausmacht aus.
Sie übersehen mein freundliches Lächeln, überhören wie ich sie begrüße.
Sie nehmen nur noch das grünblaue Desaster auf meinem Kopf war.
Und ihre Blicke spiegeln etwas wieder, dass ich so noch nie so intensiv am eigenen Leib zu spüren bekommen habe.
Verwunderung, Entsetzen, … Abschaum.
Das Einzige was sich an mir verändert hat ist meine Haarfarbe und doch scheine ich plötzlich jemand ganz anderes zu sein.
Ich bin eine verwirrte Frau, die auf einmal nicht mehr ernst genommen wird.
Ich bin eine Person, die irgendetwas Zwielichtiges im Schilde zu führen scheint.
Ich bin ein Mensch den man nicht mehr ernst nehmen muss.
Ich bin der Teil der Gesellschaft, den man ab jetzt respektlos behandeln kann.
 
In den darauf folgenden Tagen passieren seltsame Dinge.
Im Restaurant werde ich als letztes bedient. Während der Kellner sich höflich mit meiner Begleitung unterhält werde ich nur sporadisch angesprochen. Es scheint fast so als hätte man Angst, dass ich irgendeine ansteckende Krankheit habe.
Die Kassierer/innen im Supermarkt lächeln mich nicht mehr an. Betrete ich ein Geschäft drehen sich Leute ungeniert nach mir um und glotzen mich an wie Rehe, die nachts im Scheinwerferlicht eines Autos auftauchen.
Doch ich will das jetzt durchziehen. Verdammt es sind meine Haare und niemand hat mir vorzuschreiben wie ich rumlaufen soll. Leben und Leben lassen. So schwer kann das doch nicht sein?
Aber es ist schwer.
Jeden Tag potenziert sich die Anzahl der abwertenden Blicke.
Sie reiben über meine Haut, wie grobkörniges Schleifpapier. Anfangs halte ich es noch aus, aber nach ein paar Tagen entzündet sich diese Haut. Die Blicke beginnen zu schmerzen, sie reißen plötzlich Wunden auf und gönnen mir keine Erholung um diese wieder gesund zu pflegen.
Minütlich werde ich konfrontiert von Leuten, deren Gesicht offen wiederspiegelt was sie von mir halten und welche Meinung sie sich gerade von mir bilden. Verschwindend gering ist die Anzahl der Menschen, die mir einfach offen sagen, dass sie es scheiße finden, danach aber weiterhin normal mit mir umgehen. Das ist ok! Damit kann ich leben. Meine Güte, es sind schließlich grüne Haare. Natürlich findet die nicht jeder toll.
Und da wird mir plötzlich bewusst, was ich gerade tatsächlich erlebe.
Ich habe nur grüne Haare, aber wie fühlen sich diese bewertenden Blicke erst an für jemanden, den die Gesellschaft aufgrund seines Gewichtes nicht anerkennt?
Wie fühlt es sich erst an für jemanden, der wegen seiner Hautfarbe, Herkunft oder Religion sofort als gefährlich eingestuft wird?
Wie fühlt es sich erst an für jemanden, der wegen einer Behinderung als lästig oder störend empfunden wird?
Und ich? Ich habe lediglich grüne Haare und gebe bereits nach wenigen Tagen auf.
Das Selbstbewusstsein immer und immer wieder beleben zu müssen, wenn es erneut von einem Vorurteil niedergeknüppelt wurde, ist verdammt anstrengend.
Wie ein geschlagener Hund beichte ich meiner Friseurin das Malheur.
Innerlich bereite ich mich bereits auf einen Kurzhaarschnitt vor, aber sie und ihr Team vollbringen ein Wunder und nach einem fünfstündigen Marathon auf dem Friseurstuhl werde ich zurück in meine altbekannte Welt gebeamt.
Die Leute gehen auf einmal wieder an mir vorbei ohne sich die Köpfe zu verrenken.
Ihre Augen verweilen auf meinem Gesicht, sie erwidern mein Lächeln und reden normal mit mir.
Ich verurteile niemanden dafür, es war schließlich ein Unfall an dem man nicht vorbeisehen kann. Vermutlich verhalte ich mich manchmal auch nicht viel besser.
Manche Situationen überfordern einfach, das ist ok.
Das Wichtigste ist aber, dass man danach über seinen Schatten springt, die selbst ausgemalten Vorurteile beiseite fegt und den Menschen unabhängig von Gewicht, Hautfarbe, Körperlichkeit, Geschlecht oder eben der Haarfarbe, so akzeptiert wie er ist. Nämlich ein Mensch und menschlich sind wir nun mal alle.
Und darum ist das hier kein Hair Tutorial.
 
Back in Grey! (Und anscheinend von der Gesellschaft wieder anerkannt)


In diesem Sinne:

Stay Professional

 
Sehr professionell sind übrigens auch die Mädels vom Damensalon Schorde in Wipperfürth, die es geschafft haben die Haare wieder in optischen Normalzustand zu versetzen. Danke nochmal dafür! *knutsch*