Montag, 27. Juli 2020

Corona Tag X+138: Die Masken fallen

27.07.2020

Ganz ehrlich Leute, wer heute bei mir positive Vibes sucht, der ist leider fehl am Platz. 
Wem nach pfiffigen Kalauern und kecken Sprüchen giert, dem sei nun dringend angeraten woanders hin zu klicken. Zum lustigen Cartoonisten von nebenan oder meinetwegen zur Comedy Hour auf YouPorn (Gibt’s sowas eigentlich? Wäre ne Überlegung wert…). 
Wie auch immer, bei mir ist das Spaßschnitzel für heute von der Speisekarte gestrichen, denn kurz gesagt: 

Wir sind am Arsch! 

Hach was hatten wir doch zu Beginn der Corona Krise noch für eine kindliche Hoffnung: 
Jetzt kommen die Menschen endlich mal zur Besinnung! Jeder denkt etwas mehr über seine Lebensweise nach, alles wird sich zum Positiven wenden und am Ende tanzen wir alle nackig mit selbstgebackenen Keksen durch den Wald. 
HAAAAHAAAA!!! 
Nix mit Erleuchtung und Friede, Freude, Eierkuchen. 
Anstatt Besonnenheit wird kollektives Durchdrehen praktiziert. 
Jeder kackt jeden an, in Facebook nehmen die Verbalschlachten noch mehr zu (und ich dachte das Greta Thunberg Bashing seinerzeit wäre schlimm gewesen. Wie naiv ich doch war!) und die Vereinsleitung diverser Länder dieser Erde bläst in das gleiche Horn, anstatt zu deeskalieren. Im Gegenteil, man trötet wie blöd darauf los, Hauptsache die eigene Meinung ist laut, Hauptsache das Machtgehabe maskulin genug, es wird in Dezibel gemessen welcher Schwanz im Vergleich am lautesten auf den Tisch knallt. 
Wenn Aliens die Stimmung der Erde gerade abhörten, sie bekämen ein vollkommen chaotisches Orchester kredenzt, das sich nicht einmal mehr Zeit nimmt die Instrumente zu stimmen, sondern so wild drauf los plärrt, dass die Saiten der Gitarre reißen, die Tasten vom Klavier fliegen und die Tuba so klingt als hätte jemand reingefurzt. 
Die „Symphony of Destruction“ wird jedes extraterrestrische Lebewesen für immer von unserem Planeten fernhalten, oder es dazu ermuntern, diesen Erdball so schnell wie möglich in die Luft zu sprengen. Frei nach dem Motto: „Tötet es, bevor es Eier legt!“ 

Ja, man hört, ich bin grad ein wenig unpässlich. Keine Angst, geht auch wieder vorbei. 
Wenn da nicht diese tagtäglichen Ärgernisse wären, die einen immer und immer wieder in diese Spirale drücken. 
Zum Beispiel der Typ gestern im Supermarkt. Genau vorm Obst und Gemüse klingelt sein Handy. Und da MUSS man natürlich dran gehen. Damit man die Olle zu Hause wegen irgendwelcher Nichtigkeiten auch laut genug ankacken kann, MUSS der Mundschutz an Ort und Stelle komplett entfernt werden, um die unverpackte Ware auch fachgerecht mit Sprechspeichel zu emulgieren. 
Ja, am liebsten hätte ich seinen Fernsprechapparat ergriffen und damit einmal den Enddarm seines Besitzers abfotografiert. ...
Denkt man, macht es aber natürlich nicht. 
Vielleicht weil ich feige bin, vielleicht weil ich aber nicht noch mehr Aggression in diese Welt streuen möchte. Aggression, die andere weitaus weniger unter Kontrolle haben. 

Zum Beispiel die Person, die an jedes Geschäft der Nachbarstadt einen Zettel gepinnt hat mit der Information, dass er/sie dort nicht mehr einkaufen würde, so lange sich die Inhaber der Maskenpflicht der Regierung beugen. 
Ja, super Idee. 
Wir wissen ja alle, dass sich der Staat sofort den Stimmen einzelner annimmt, die anstatt mit den richtigen Stellen (Ämter, Politiker,…)  zu kommunizieren, lieber diejenigen treten, die ohnehin schon auf dem Boden liegen. Das ist irgendwie so, als wenn man einem Kleinkind den Lolly wegnimmt, weil einem der eigene Lohnsteuersatz nicht passt. 

Dennoch, ich versuche mich irgendwie wieder ins normale Leben zu kämpfen. In die neue Normalität und die wäre eigentlich gar nicht sooo krass anders, wenn’s nicht immer wieder saures Aufstoßen gäbe.
Demnächst werde ich wohl endlich wieder an einem Poetry Slam teilnehmen, organisiert von sehr tollen, gewissenhaften Veranstaltern. Und dann postet eine Slam Teilnehmerin plötzlich folgenden Spruch auf ihrer Facebook Pinnwand: 

„Alle Menschen, die Angst und Panik wegen den Corona-Virus haben, mögen in Quarantäne bleiben, Mundschutz tragen und sich impfen lassen. Für alle anderen gilt: Lebt euer Leben, geht raus, habt Spaß an eurer Arbeit und feiert das Leben. Das ist Freiheit.“ 

Da ich selber ein recht vorsichtiger Mensch bin (ja, vielleicht gerne auch mal nen Ticken zu vorsichtig), lese ich also als Botschaft für mich daraus:

„Bleib mit deinem feigen Arsch zu Hause! Tritt nicht beim Poetry Slam auf, denn ich lebe mein Leben so wie ich es möchte und werde keinerlei Rücksicht auf dich auf deine Ängste und Sorgen nehmen!“

Ich weiß nicht wie ihr so denkt, aber Menschen die Ängste haben, die vielleicht körperliche Einschränkungen haben, die sich ohnehin schon zu sehr zurückziehen, auf die sollte man zugehen anstatt sie zu Hause wegzusperren. So praktiziere ich jedenfalls Mitgefühl und Zusammenhalt. 
Und wenn das bedeutet, dass ich auf solch einer Veranstaltung eine Maske trage, dann soll es so sein und dann trage ich diese mit Stolz.

Damit eben JEDER die Chance hat dort auftreten zu können, ob mit oder ohne körperliche Beeinträchtigung, ob mit oder ohne Angst. Und damit auch im Publikum Menschen sitzen und Kultur genießen können, ohne Angst haben zu müssen, dass jemand sie aufgrund seines Freiheitsdranges infizieren könnte. 
Einfache Maßnahmen ermöglichen ein größeres, weit gefächertes Publikum, zahlende Gäste für die Veranstalter, potentielle Kunden für die dort auftretenden Künstler, die gerade wahrlich genug zu knapsen haben. All das, zerstört durch den Freiheitsdrang einzelner? 
Wenn das unter Freiheit zu verstehen ist, dann möchte ich diese Freiheit nicht haben. 

Für mich würde der Spruch wie folgt lauten: 

„Lebt euer Leben, geht raus, haltet Abstand und bewahrt Anstand, nehmt Rücksicht aufeinander, habt Spaß an eurer Arbeit und feiert gemeinsam mit gegenseitigem Respekt das Leben. Das ist Freiheit!“ 

Ja, die Masken fallen, im wahrsten Sinne des Wortes. Ich weiss noch nicht, ob die Gesichter, die darunter zum Vorschein kommen, die von stolzen Freiheitskämpfern sind oder eigentlich nur verzerrte Fratzen voller Egoismus und Selbstsucht. 
Beobachtet einfach mal selber.

In diesem Sinne trotz allem: Stay positive! 

Wenn man sich mit Maske vor ein usseliges Graffiti stellt, wirkt es sofort so,
als hätte man das Dingen selber dahin gesprüht.