Donnerstag, 27. Oktober 2016

Filmreview Doctor Strange. Oder: Der Arzt, dem die Frauen vertrauen.


Wer mich kennt, der weiß dass meine Filmreviews mitunter etwas anders verlaufen. Und der weiß auch, dass ich Filme mit meinen Lieblingsschauspielern nicht immer automatisch gut finden muss.
Aber ich fange besser von vorne an.

Am 27.10.2016 ist der offizielle, deutsche Kinostart des Marvel Blockbusters „Doctor Strange“.
Da ich aber bei der Kombination „Superhelden und Lieblingsschauspieler“ nicht mehr zu halten bin, gehe ich am Abend vorher in eine der vielzähligen Preview Vorstellungen. Allerdings möchte ich den Film im Original Ton genießen.
Benedict Cumberbatch zu synchronisieren, fühlt sich für mich ungefähr so an, als würde man mit einem Ferrari mit 30 km/h über die Autobahn kriechen.
Nun ist es in Deutschland bzw. in der Region in der ich lebe, nicht gerade einfach ein Kino mit entsprechendem Angebot zu finden. Selbst im Umkreis von 60 km ist die Auswahl spärlich.
Es kommt mir fast so vor als würden die Kinobesitzer sich sagen:
„Nein, wir senden nur in Deutsch, das haben wir schon immer so gemacht!“
Ja, schön und gut. Vor 80 Jahren hat das vielleicht auch Sinn gemacht. Damals sind die Protagonisten aber auch noch in schwarzweiß und im Stechschritt über die Leinwand marschiert… Aber ich schweife ab.
Ich verfrachte den Ehemann ins Auto und los geht die Reise nach Köln, wo sich endlich eine Möglichkeit aufgetan hat. Im Kino angekommen, tritt das mehr als gut besuchte Foyer den Beweis an, dass auch Blockbuster im O-Ton inzwischen sehr gefragt sind.
Dummerweise hat dieses Filmvorführhaus ein kleines Manko.
Das Interieur ist, wie drücke ich es diplomatisch aus, etwas… malat.
Die Farbe der Deckenverkleidung im Foyer erinnert an eine durchgeweichte Windel, sofern sie überhaupt noch existent ist.
Der Kinosaal ist aber recht groß. Die Sitzplätze hingegen sehen aus, als wären sie aus einem etwas fragwürdigen Bahnhofsetablissement entfernt worden. Immerhin bestehen sie aus einhundert Prozent, abwaschbarem, schwarzen Kunstleder. Ich vermute, aus Gründen…   
Als ich mich hinsetze gibt der Sessel ein Geräusch von sich, das sich anhört als wäre ich gerade auf eine Katze getreten. Ich sacke nach unten und die Leinwand vor mir verschwindet zu dreißig Prozent hinter der Lehne meines Vordersessels.
„Sag mal, sind die Sitze im Kino ganz hinten normalerweise nicht immer höher?“, kommentiert meine Nachbarin sehr passend.
Tja, normalerweise werden in Deutschland die Filme ja auch nicht im O-Ton gezeigt.
Schöne Scheiße! Jetzt kann ich zwar Cumberbatchs honigweiche Stimme hören, dafür aber nichts sehen.
Die Rettung naht in Form eines Kindersitzes, den man sich im Seitengang abholen kann. Ich zögere keinen Moment. Die Sitze sind natürlich nicht für einen Erwachsenen Hintern gemacht, aber das ist mir jetzt egal. Ich bin doch schließlich nicht 60 km weit gefahren, nur auf die Halbglatze meines Vordermanns zu starren.
Der Ehemann hingegen kämpft immer noch mit der Beinfreiheit, die der Holzklasse im Ryanair Billigflieger, in keinster Weise nachsteht. Immerhin mussten wir für eine Portion Nachos dieses Mal nicht unser Haus verpfänden. Allerdings schmecken die auch so, als wären sie am Vorabend schon mal aufgewärmt worden. Und den Abend davor… und davor den Abend auch.
Das Licht wird gedämmt, die Werbung startet und mein Mann stößt plötzlich einen leisen Schrei aus.
Sollte ich nicht eigentlich das quietschende Fangirl sein?
Was hat der denn jetzt auf einmal?
„Alter! Auf mich ist gerade irgendwas drauf gefallen? Kam von Oben!“
Mein Blick wandert an die Decke, voller Angst, dass uns jetzt das halbe Gebäude unter sich begräbt. Doch es sieht alles stabil aus.
„Also ich will dich ja nicht beunruhigen, aber ich glaube das war ne Spinne“, erklärt der Ehemann und fängt an, seine Hosenbeine aus zu schütteln.
Nein,ich bin nicht beunruhigt. Ich bin panisch! 
Wenigstens sitze ich aufgrund des Kindersitzes so weit oben, dass meine Füße den Boden kaum berühren. Ich bilde mir ein, dass die Spinne sich deswegen lieber an die Füße des Nachbarn krallt, ihn während des Films einpuppt, sämtliches Blut aus dem Körper saugt um die Leere anschließend mit unzähligen Spinneneiern zu füllen. So machen die das doch, oder?
Da der Film aber jetzt anfängt werde ich tatsächlich von meinen Horrorvisionen abgelenkt und freue mich auf zwei Stunden voller Superhelden Action.
Doch das Marvel Logo sieht aus als hätte ich gerade 3 Flaschen Rotwein auf Ex geleert. Irgendwas stimmt da nicht.
„Eeeeey! Dat 3D is im Arsch!“, brüllt einer der Zuschauer.
Doch auch nach zwei weiteren Minuten wird es nicht besser und plötzlich bricht der komplette Film ab.
Na klasse! Das war es dann wohl mit dem schönen Filmabend.
Nach weiteren fünf Minuten Ungewissheit taucht plötzlich ein Mitarbeiter auf und informiert in sonorer Stimme, die sich so anhört als fände er es total toll, wenn endlich das Hanf legalisiert wird, dass es technische Probleme gibt.
Zehn weitere Minuten und endloses Starren auf eine Leinwand die aussieht als wäre der Blob darüber gelaufen, startet der Film erneut. Unter tosendem Applaus aller Anwesenden, denn das Bild ist endlich klar!
Ich lehne mich zurück und spüre erst jetzt, dass ich etwas nicht mehr spüre, nämlich meine Beine. Die Blutzufuhr zu selbigen hat der Kindersitz mittlerweile erfolgreich abgedrückt.
Aber das spielt jetzt auch keine Rolle mehr, denn die erste Szene, in der Doctor Strange himself vorkommt, ist eine Nahaufnahme auf Cumberbatchs Augen.
Chapeau Herr Regisseur!
Mein Hirn fällt aus meinem Kopf und landet irgendwo auf dem mit Popkorn verklebten Boden.
Das Leben ist schön!
Am Anfang stört es ein wenig, dass der Damen liebster Brite plötzlich mit amerikanischem Akzent spricht. Aber man gewöhnt sich tatsächlich recht schnell daran.
Schon in den ersten Szenen wirft Marvel die Zuschauer in eine Grafik voller atemberaubender Effekte. Ich gebe zu, dass man einiges aus dem Film Inception abgeschaut hat, aber warum nicht? Zumal man diese Effekte hier wirklich perfektioniert.
Viele von euch kennen sicherlich diesen letzten Part aus Stanley Kubricks 2001 Odyssee im Weltraum. So ein Zeug haben die Visual Effekts Meister bei Doctor Strange glaube ich auch geraucht. Nur im Gegensatz zu Kubrick waren sie nicht nur im Besitz von Alufolie und bunten Seifenblasen, sondern ausgestattet mit bester Software, die mir die Kinnlade herunterklappen lässt. Ich bin überwältigt von den Bildern, die mir trotz allem in keinem Moment zu abgedreht erscheinen. Und Doctor Strange macht Spaß!
Im wahrsten Sinne des Wortes.
Hatten die Filmemacher am Anfang noch davon gesprochen, dass dem Film Humor fehlen würde, hat man das Ruder definitiv in die richtige Richtung herumgerissen. Ich lache an vielen Stellen herzlich, und es ist eine pure Freude den Schauspielern zuzuschauen.  
Nicht nur Cumberbatch spielt überzeugend, nein auch Tilda Swinton, Mads Mikkelsen oder die wirklich sympathische Rachael McAdams liefern fantastische Arbeit ab.
Es gibt so viel über das ich hier berichten könnte, aber die Details in Worte zu fassen, würden zu viele Spoiler bedeuten.
Mein Rat an jeden: Wartet nicht, bis der Film auf DVD herauskommt. Doctor Strange muss man im Kino genießen, auch wenn es, wie in meinem Fall, eine nach Kinderkotze riechende Bruchbude ist.
Ich kann an diesem Film tatsächlich keinen Kritikpunkt finden. Bis auf eine kleine Sache: Der Film ist zu kurz! Ich hätte noch stundenlang in den Farben, Bildern, Slapstick Einlagen, Gefühlswallungen und vor allen Dingen in Cumberbatchs Augen verweilen können.
Und dieser Ausspruch sei dem Fangirl jetzt einfach mal gestattet: „Scheiße sieht der in dem Film gut aus!“
Aber der ultimative Test steht noch an. Der Ehemann gehört normalerweise zur Fraktion: - Fantasy Filme sind voll unrealistisch – (Ach was!). Voller Spannung erwarte ich sein Urteil.
Dann kommen die wichtigsten Worte des Abends: „Du, der war echt gut der Film!“
Jawoll!
Somit kann ich stolz verkünden: Doctor Strange ist offiziell Ehemann approved und bekommt hiermit dieses soeben erfundene Gütesiegel auf Cumberbatchs hübsche Nase gedrückt.  
Mit einer Sache kann ich aber nicht an mir halten. Und daher vorweg die große und rote Warnung:
SPOILER bezüglich des üblichen Marvel nach-erstem-Abspann-Clips.
(Wer gar keinen winzigen Hinweis (ich spoilere nicht die komplette Szene) lesen will, der hört jetzt auf und dem wünsche ich hiermit schon mal einen schönen Tag und bis zum nächsten Blogeintrag!)
Ehrlich!
JETZT AUFHÖREN ZU LESEN! ;-)
....
...
Es gibt Momente, da bekommt so ein Fangirl wirklich feuchte AUGEN!
Nämlich dann, wenn ein Cumberbatch (bzw. Doctor Strange) auf der Leinwand über Tom Hiddleston (bzw. Loki) spricht.
Vielleicht bedeutet dieser Ausschnitt, dass wir gegebenenfalls bereits in „Thor Ragnarök“ ein Zusammentreffen der Giganten für Östrogen Belastete erleben werden?
Es bleibt spannend!
In diesem Sinne: Stay Professional!