Sonntag, 22. März 2020

Corona Tag X+11: Wir hatten ja… alles

22.03.2020

Liebes Tagebuch, 

ich bin ein Kind der 80er. 
Damals war es (zumindest in meinen Kreisen) noch nicht so verbreitet, mehrmals im Jahr in den Urlaub zu fliegen. 
Wenn der Tobias aus der 2. Klasse nach den Sommerferien davon berichtete, dass er mit seinen Eltern auf Korfu war, dann klang das für uns andere Kinder so, als hätte er gerade einen Abenteuerurlaub im Kongo hinter sich gebracht. 
Ich hingegen kann aus meiner Kindheit von sage und schreibe zwei Urlauben berichten. Einmal ging es mit Vattern an den Strand von Sankt Peter Ording und das zweite Mal ins AUSLAND nach Österreich zum Wandern! DAS WAR’S! 
Mehr war damals einfach nicht drin.

Umso krasser fiel dann aber mein Nachholbedarf aus. 
Ich habe ordentlich malocht und zusätzlich zum Hauptjob immer noch abends gekellnert. 
Die Freizeit schrumpfte zwar, aber dafür füllte sich das Portemonnaie und mit ihm das Sammelglas voller Wünsche und Träume. 
Ja, man kann sagen, dass ich in meinen 20ern und 30ern so richtig auf die Kacke gehauen habe. Ich bin viel gereist, habe jede Menge Konzerte besucht, bin ausgegangen, habe mir jede Menge Klimbim gekauft, einfach weil ich es konnte. Und doch war da immer der Drang nach mehr. 
Hach das Shopping in London war so toll, das muss ich nochmal machen. Hach das T-Shirt ist so geil, da bestell ich mir doch noch drei weitere Varianten von. Von der Blue Ray hier aber bitte die super limited Schnickschnack Sonderedition in Metalloptik…

Und dann kam die Wende. 
Nach langer Zeit und vielen Versuchen wurde ich mit Ende 30 endlich schwanger. Und natürlich war ich vorher eine von diesen naiven Kinderlosen, die steif und fest behaupteten: „Also, wenn der Nachwuchs da ist, dann lebe ich definitiv so weiter! Das geht auch alles mit Kind!“

Wartet… ich muss mal kurz pausieren um laut zu lachen…….Hahahahhahhhahhhahhhahhaaaaaahahaahahahaaaaa!

Natürlich kam es so, wie es alle Eltern wissend prophezeit hatten. Es blieb nichts wie es mal war. 
Von heute auf morgen waren ich und meine Wünsche und Pläne in den Hintergrund gerückt. 
Insbesondere als stillende Mutter, dessen Sohnemann partout keine Lust hat die mühsam abgepumpte Milch aus der Flasche zu trinken, hat man maximal 2 Stunden Zeit um irgendetwas alleine zu unternehmen oder für sich zu tun. 
Im ersten halben Jahr nutzt man diese 2 Stunden meist zum Schlafen oder für Körperpflege. Mehr ist oft nicht drin. 
Und soll ich euch was sagen: Die sonst so taffe Frau Sommer war plötzlich gar nicht mehr so cool. Sie merkte plötzlich, dass das Leben was sie vorher geführt hatte, zumindest für die nächsten fünfzehn Jahre, nie wieder so sein würde wie vorher. 
Mal eben spontan mit Freunden nach Berlin fahren? Pustekuchen! Sowohl zeitlich als auch finanziell absolut nicht mehr möglich. 
Das hat mich in der ersten Zeit fast wahnsinnig gemacht. 

Natürlich, Mutter zu sein ist ein riesiges Geschenk, aber es ist mit so unfassbar vielen Entbehrungen gekoppelt, darauf muss man halt auch erst mal klar kommen. 
Aber mit der Zeit verschwand diese Angst. Das Gefühl man würde irgendetwas im Leben verpassen, wenn man nicht mehr alles tun und lassen kann auf das man gerade Bock hat, legte sich immer mehr. 
Und auf einmal wich die Unzufriedenheit einer angenehmen, inneren Ruhe. Plötzlich fing ich an auszumisten, dünnte Kleiderschrank und Schnick-Schnack Sammlungen aus und es tat gut. All diesen Krempel brauchte ich nicht mehr um glücklich zu sein. Je mehr von dem Zeug verschwand, desto mehr Platz hatte ich zum Atmen.

Vielleicht bin ich deswegen gerade so entspannt, was die Entbehrungen der aktuellen Tage angeht. Zum Beispiel was die Haare angeht: Ich schaffe es momentan sowieso nur noch alle 8 Monate zum Friseur und auch jetzt hängt mein Haaransatz schon wieder fast an den Ohren. Aber das ist nicht wichtig!

Ich denke in diesen Tagen werden wir alle merken was wirklich wichtig ist. 
Dass die tatsächliche Entbehrung nicht der ausgefallene Sommerurlaub ist, sondern der Kontakt zu unseren Liebsten, zu unseren Freunden, zu unseren Eltern, zu Omas und Opas. 
Ich fürchte dieses Tal werden wir jetzt alle gemeinsam durchschreiten.

Irgendwann, weit in der Zukunft, werden wir dann unseren Enkeln oder dem kleinen Jungen aus der Nachbarschaft von der Zeit vor der großen Corona Krise berichten. 
Nur im Gegensatz zu unseren Großeltern werden wir sagen: „Wir hatten ja alles!“  
...Alles außer Bescheidenheit und den Blick für das Wesentliche.

In diesem Sinne: Bleibt bescheiden und bleibt zu Hause.

Gesperrter Spielplatz in unserer Siedlung

Dienstag, 17. März 2020

Corona Tag X+6: Was Peter sagt!


17.03.2020

Liebes Tagebuch,

heute hat mein zweijähriger Sohn seinen ersten Videoanruf von seiner besten Freundin (ebenfalls zwei Jahre alt) erhalten. Die beiden haben sich glücklich angelacht und nach der Begrüßung hat er ihr voller Stolz erzählt, dass er gerade einen Stinker in die Pampers gemacht hat. 
Das Gespräch dauerte noch weitere drei Minuten, danach erklärte ich das Wohnzimmer zur olfaktorischen Evakuierungszone. Aber die zwei hatten Spaß und das ist die Hauptsache.

Es ist echt super, dass wir heutzutage die Möglichkeit haben uns auf diesem Weg untereinander auszutauschen. Ja und wie man sieht, selbst die Kleinsten wissen schon wie es funktioniert. Dennoch ist dieser einfache Zugang zu den Medien nicht nur ein Segen, sondern auch ein Fluch. 
Da ich noch in der Elternzeit bin, habe ich aktuell noch weniger, soziale Kontakte als ohnehin schon. (Und ob ihr es glaubt oder nicht, auch das überlebt man!)
Natürlich greift man dann vermehrt zu Facebook und Co., um sich wenigstens ein bisschen austauschen zu können. 
Allerdings reißt mich mittlerweile die Flut von Informationen regelrecht von den Füßen, und zugegebenermaßen, unsere Bundesregierung latscht zwischen diesem Infomob herum wie ein übergewichtiger Elefant in einem Porzellanladen voller Tinnef Figürchen. 

Erst gestern hatte ich beschlossen mich jetzt medial etwas zurückzunehmen und mich auf die Pressekonferenzen zu konzentrieren. Gestern stand die Frau Angela vor der Nation und verkündete den Shutdown. Da dachte ich „Wow! Endlich mal ne klare Ansage. Sie bedeutet zwar noch mehr Einschränkung, aber endlich weiß ich woran ich bin!“
Ich hatte damit gerechnet, dass ab heute nur noch Geschäfte, die relevant für die Grundversorgung sind, geöffnet haben. 
Im Laufe des Tages stellte sich dann aber heraus, dass in meiner Heimatstadt die Leute immer noch durch geöffnete Klamottenläden bummeln. 
Ganz ehrlich, wenn wir einen Laden für Sportbekleidung als relevant für die Grundversorgung betrachten, dann möchte ich nicht wissen, wie wir Deutsche in einem Kriegsland wie Syrien auch nur eine Sekunde überleben würden. Setzten wir auch nur einen Fuß in Städte wie Aleppo, wir würden sofort heulend zu Staub zerfallen und verdammt, wir hätten es verdient. 

Gegen Nachmittag tritt dann NRW’s Armin vor die Presse und verkündet fröhlich eine nur teilweise Durchsetzung der von Frau Angela vorgestellten Themen vom Vortag. Durch meinen Kopf schwirrt seitdem nur noch ein einziges Wort. „HÄ???“

Jetzt mal ganz ehrlich: Haben die nicht mehr alle Tassen im Schrank? 
Was ist denn das bitte für ein Heckmeck? 
Ganz ehrlich liebe Politiker, bei solch inkonsequentem Handeln braucht ihr euch nicht wundern, wenn ein viel zu großer Teil der Bevölkerung den Ernst der Lage immer noch nicht erkannt hat. Nämlich die, die heute immer noch, trotz tausendfacher Erklärung unter Zuhilfenahme von Buntstiften, Piktogrammen und Holzhammer, weiterhin in Gruppen, draußen in der Eisdiele oder im Park rumhängen. Die immer noch dicht gedrängt durch den Supermarkt schieben um die hundertste Packung Nudeln zu kaufen, die in den sozialen Medien damit prahlen, dass sie sich die Freiheit nicht nehmen lassen. 
Wer sich nicht klar äußert, der braucht sich nicht zu wundern, wenn jeder etwas anderes versteht. 

Man möchte einfach nur noch laut schreien! 
Doch dann merkt man, dass der kleine Sohn neben einem sitzt und stolz das selbstgemalte Bild präsentiert. Und dann tut man etwas, das man schon längst hätte tun sollen. Man befolgt die weisen Worte eines Mannes in blauer Latzhose, legt die ganzen sozialen Medien mal für einen Moment beiseite und drückt auf Abschalten.

In diesem Sinne: Bleibt besonnen, wascht euch die Zehen und bleibt verdammt nochmal einfach mal zu Hause! 😉

Wenn es so unmöglich ist, mal für eine kurze Zeitspanne keine direkten, sozialen Kontakte zu haben, wieso kommen dann Astronauten lebend zur Erde zurück?



Montag, 16. März 2020

Corona Tag X+5: Shopping Queen pausiert


16.03.2020

Liebes Tagebuch,

soeben hat die Bundesregierung den Shutdown beschlossen. 
Das lustige Anziehsachenshoppen hat also erst mal ein Ende. (Nun gut, mein letzter, ordentlicher Shoppingtrip liegt aus Gründen (Mutter eines Kleinkinds) ohnehin fast 2 Jahre zurück, da werde ich jetzt auch noch eine weitere Durststrecke überstehen. 
Richtig überrascht hat mich dieser Schritt eigentlich nicht. Tatsächlich wundert es mich, dass man nicht schon viel eher so hart durchgegriffen hat. Aber vielleicht muss man hier auch ein bisschen Fingerspitzengefühl beweisen, damit die Leute besonnen bleiben. 

Und da wäre ich auch schon beim Thema des Tages: 
Gestern habe ich einen kleinen Anschiss kassiert, der mich ins Grübeln brachte und mir wieder einmal mehr einen Gedankenumschwung kredenzte. 
Wer von euch jetzt behauptet er hätte noch keines von diesen „Klopapiervideos“ gesehen, der scheint in einer ziemlichen (zugegebenermaßen beneidenswerten) Blase zu leben. 
Ich meine damit die heimlich gefilmten Privatvideos, die Menschen zeigen, die sich im Supermarkt um 3000 Rollen Klopapier kloppen. Im Anschluss dann noch unzählige Fotos von leergehamsterten Regalen im Disounter und schon weiß man: Alle bekloppt geworden! 

Zu Beginn dieses ganzen Irrsinns habe auch ich noch solche Fotos gepostet, weil es zu surreal war. Inzwischen ist das ja schon fast Alltag geworden, warum also noch weiter teilen? 
Die „Klopapier-Fight-Arena“ Filmchen habe ich ohnehin noch nie geteilt, da es immer noch eine Verletzung der Privatsphäre dieser Menschen ist. Weiter habe ich hier aber auch nicht nachgedacht.

Und doch wurde dann in unserer Familen-WhatsApp-Gruppe darüber diskutiert und ich kam plötzlich tatsächlich in die Versuchung, solch einen Film weiterzuleiten (ist ja nur innerhalb der Familie… denkt man sich). 
Doch bevor das passierte kam der Anschiss. Und dann habe ich begriffen: 
Eben genau DIESE Filme, eben genau DIESE Fotos, suggerieren den ängstlichen Menschen dort draussen: 
Hey, ihr MÜSST Vorräte anlegen! 
Es gibt bald nichts mehr! 
Alle Regale sind leer! 

Ich rede hier bewusst von ängstlichen Menschen, denn nicht jeder da draussen ist einfach ein riesiges Ar… , das aus purem Egoismus bunkert oder das Zeug sogar teurer verkauft. 
Nein, tatsächlich sind es hauptsächlich unsichere Menschen, die ANGST haben und die darf man ihnen zugestehen. 
Aber anstatt sich darüber lustig zu machen und mit dem Teilen solcher Videos noch Öl ins Feuer zu gießen, sollte man hier einfach mal sagen STOPP, und die Verteilerkette dieser Filmchen und Fotos unterbrechen. 
Denn ganz ehrlich: Ja, am Ende des Tages sind die Regale aktuell leer, aber geht mal früh morgens ins Geschäft. Die meisten Lagerplätze sind wieder aufgefüllt. Die Mitarbeiter der Discounter arbeiten sich den Ar… für uns ab um für Nachschub zu sorgen, aber auch sie haben nur zwei Hände und kommen mit dem Nachfüllen bzw. dem Liefern von Nachschub nicht immer direkt nach. 
Ich habe als Mama und Hausfrau ohnehin immer einen gut gefüllten Vorratsraum, daher brauche ich gar nicht zu Hamstern und ziehe meist nur los, um frische Sachen zu kaufen. 
Und ganz ehrlich: Ich habe in all den letzten Tagen immer alles bekommen, was ich wollte (auch wenn dies manchmal Supermarkt-Hopping bedeutete.). 
Von daher: Ab jetzt überlege ich zweimal welche Fotos ich poste. Auch hier trage ich eine Verantwortung, auch hier bin ich mit verantwortlich und entscheide mit, ob Ängste weiterhin geschürt werden oder stattdessen endlich mal ein Gang zurückgeschaltet wird.  

Was lustige Memes (ohne betroffene Menschen darauf!) hierzu angeht, hadere ich noch mit mir. Vielleicht können auch diese ein Trigger für ängstliche Menschen sein. Umgekehrt erheitern sie den Alltag aktuell ungemein. Wenn ich momentan abwäge, würde ich sagen, dass hier der Nutzen im Sinne der Freude und des Lachens (und somit unser aller Gesundheit) überwiegt. Aber wer weiß… morgen sieht die Welt schon wieder anders aus und vielleicht auch meine Meinung. Ich lerne täglich dazu.

In diesem Sinne: Schaltet nen Gang herunter, lacht was das Zeug hält und wascht euch die Haare.

Falls jemand Klopapier sucht, mein Auto hat noch welches... (woher auch immer)


Sonntag, 15. März 2020

Corona Tag X+4: Menschenskinder


15.03.2020

Liebes Tagebuch,

auch heute ist mal wieder so ein Tag, an dem mein Gehirn so viel arbeitet, dass es am Feierabend wie ein aufgeweichtes Brötchen irgendwo in der Ecke meines Kopfes liegt. (Erklärt vielleicht auch die vielen Rechtschreibfehler in meinen Texten. Sorry dafür. Ich bin einfach nur platt.) :-(

So viele Fragen, insbesondere bezogen auf mein Verhalten. 
War das jetzt falsch? 
War es richtig? 
Wir wissen nun, dass sämtliche Schulen und Kitas ab Montag geschlossen sind. Ich habe das unglaubliche Glück, aktuell noch in Elternzeit zu sein aber dennoch möchte so ein zweijähriger Junge gerne bespaßt, herausgefordert und gefördert werden. Damit kann ich leben, das ist ja quasi aktuell mein „Job“. 
Dennoch sind aber auch soziale Kontakte für so ein Alter unglaublich wichtig. 
Wie lange wird diese Isolation ab jetzt anhalten müssen? 
Wie konsequent muss ich sein? 
Darf der kleine Mann jetzt gar nicht mehr vor die Tür? 

Gestern schien die Sonne und wir beschlossen einen kurzen Spaziergang durch unsere Siedlung zu unternehmen. Dieser ging auch vorbei an der roten Rutsche, die der Sohnemann so liebt, und natürlich wollte der kleine Mann unbedingt herunterrutschen. 
Da zu dem Zeitpunkt nicht wirklich viel los war, stimmten wir zu. 
Doch kurz nachdem mein Sohn auf die Rutsche geklettert war, wurden wir von einem ziemlichen Tumult überrascht. 
Hinter uns kreuzten plötzlich drei Erwachsene mit einem Pulk von 10 Kleinkindern auf. 
„Kindergeburtstag“, erklärte man uns freudig. 

Es war einer dieser Momente, in denen man sich wünschte, einfach besser zu Hause geblieben zu sein. 
Denn wie reagiert man nun? 
Reißt man den Nachwuchs panisch von der heißgeliebten Rutsche und ergreift die Flucht? 
Oder bleibt man vor Ort und versucht das eigene Kind so gut wie möglich aus dem Knäuel von tobenden, fremden Kindern fernzuhalten? 

Ich habe mich für ein Mittelding entschlossen. 
Weil sich die Kids vom Kindergeburtstag allesamt auf die Nestschaukel nebenan knubbelten, durfte mein Sohn noch ein paar Mal rutschen, bevor wir uns auf den Heimweg machten. Es riss mir das Herz heraus mein Kind dort wegzulotsen, zu sehen wie er sehnsüchtig auf die anderen Kinder blickte, zu hören wie er sagte: „Zu Kinder gehen! Zu Kinder gehen!“ 
War es richtig? 
War es eine übertriebene Reaktion? 
Ich weiß es einfach nicht. 

Den heutigen Tag haben wir im eigenen Garten verbracht. Ein unglaublicher Luxus, den ich jetzt erst richtig zu schätzen weiß. Noch vor ein paar Wochen habe ich mich über die ganze, furchtbare Arbeit geärgert, die mir dieser Garten beschert, aber ab jetzt werde ich ihn als eines meiner höchsten Güter ansehen.

In diesem Sinne: Besinnt euch auf die wahren Schätze, die ihr besitzt! … Und wascht eure Pfötchen! ;-)




Samstag, 14. März 2020

Corona Tag X+3: Die Erde wehrt sich


14.03.2020


Heute ist tatsächlich mal nicht so wahnsinnig viel passiert, daher nutze ich die Gelegenheit um euch mal einen kleinen Text zu präsentieren. Diesen hatte ich eigentlich spontan für den morgigen Poetry Slam in Köln geschrieben (der Auftritt ist ja nun leider hinfällig). Natürlich funktioniert ein Slam Text live verlesen immer besser, aber dennoch liegt mir viel daran und ich möchte ihn ungern in der Schublade verstauben lassen. Er ist sicherlich simpel und ohne viel Schnick-Schnack, aber hey, das bin ich ja schließlich auch. ;-)

Der Text heißt: 

Die Erde wehrt sich

Es war einmal, das würde ich gerne sagen,
hätte es sich vor Jahren zugetragen,
doch all dies geschieht im hier und im jetzt, 
von einer ziemlich pissigen Erde, handelt der Text.

Die Erde war ein gar friedliches Wesen, 
lag gern in der Sonne und liebte das Lesen.
Doch auf ihrem Rücken, da juckte es sehr, 
der Parasit Mensch, der macht es ihr schwer.

Er bohrte ihr Löcher in die zarte Haut, 
er lebte verschwenderisch und auch viel zu laut.
Er pustete Dreck in die Atemluft rein, 
der Mensch er verhielt sich wie ein asoziales Schwein.

Er tötete alles was sie einst erschuf, 
und selbst als sie weinte, überhörte er ihren Ruf.
Sie bekam starkes Fieber, doch der Mensch half ihr nicht, 
er spuckte ihr stattdessen noch mitten ins Gesicht.

Da reichte es der Erde und sie erschuf einen Plan, 
und der legte das menschliche Leben schnell lahm.
Die Waffe, die sie nutzte war winzig und klein, 
der Mensch schnell am Ende mit seinem Latein.

Das Virus es brach herein wie die Flut, 
genährt nur von Trauer und unendlicher Wut,
Der Mensch er bekam eine ordentliche Dämpfung, 
die Erde nahm Corona zur Schädlingsbekämpfung.

Dann lehnte sie sich zurück und beobachtete das Spiel, 
sie sah wie der Mensch plötzlich auf den Boden fiel.
Doch anstatt endlich weise und besonnen zu sein, 
ging der Mensch ihrem cleveren Trick auf den Leim.

Homo Sapiens, einst bekannt für sein Wissen, 
er fing an sich gegenseitig zu Dissen.
Anstatt zu begreifen wurde er schnell zum Tier, 
und das Einzige an das er dachte, waren Nudeln und Klopapier.

Der Wohlstand hatte ihm seiner Instinkte beraubt, 
er hatte gedacht es wird besser wenn man Grenzen aufbaut.
Doch ein Virus das wartet nicht draußen vor dem Tor, 
da helfen weder Sagrotan noch 20 Liter Chlor.

Anstatt gemeinsam die Pest zu besiegen, 
fing man an die Schuld hin und her zu schieben.
Zuerst war es die und dann war es der, 
die abstrusen Beschuldigungen waren alles andere als fair.

Die ärmsten der Armen lies man einfach zurück, 
teilte nicht mal ein Brot, nicht ein einziges Stück.
Man lies Kinder verrecken, eigentlich wie eh und je, 
Hauptsache es tat einem selber nicht weh.

Der Mensch verbarrikadierte sich mit Tonnen von Reis, 
wagte sich nicht vor die Tür, fraß nur noch Dosenscheiß.
Schaute Youtube, las BILD und verbitterte sehr, 
der einst fröhliche Mensch, existierte nicht mehr.

Doch was er nicht merkte, hinter seiner Bastion, 
jetzt nutzte die Erde diese neue Option.
Die Luft wurde besser, denn der Mensch blieb daheim, 
ja manchmal kann die Lösung doch so einfach sein.

Die Erde fühlte sich wie in einer Wellnessoase, 
endlich tanzte der Mensch ihr mal nicht auf der Nase.
Sie streckte ihren Körper und genoss den Moment, 
ja es tut wirklich gut, wenn die Haut einmal nicht entsetzlich brennt.

So schwebt sie nun durch den weiten Weltraum, 
beobachtet still, ob wir Menschen unsere letzte Chance auch noch versaun.
Die letzte Warnung, wie fruchtet sie wohl, 
ist der Mensch vielleicht doch schlau oder einfach nur hohl?

Verstehen wir endlich, dass es so nicht weiter geht, 
dass unsere Existenz auf dem Spiele steht?
Dass all der Hass und die Raffgier nichts bringt, 
wenn uns der Zusammenhalt nicht endlich gelingt.

Denn all unser Geld, was wir täglich verprasst, 
das bringt uns nichts mehr, wenn die Erde uns einen Arschtritt verpasst.   


In diesem Sinne: Bleibt gesund und bleibt hilfsbereit! 
... Und wascht euch die Hände!



Freitag, 13. März 2020

Corona Tag X+2: Entscheidungen


13.03.2020

Liebes Tagebuch,

gestern habe ich eine Entscheidung getroffen. Am kommenden Sonntag war ich für den Poetry Slam im Blue Shell in Köln gebucht. Ich hatte mich wahnsinnig darauf gefreut. Endlich mal das romantische Landleben verlassen und mich auf den Poetry Slam Bühnenbrettern der Großstadt beweisen. Dann aber trudelten die Hiobsbotschaften minütlich herein. Überall heißt es, man soll soziale Kontakte möglichst vermeiden. Aber sind es nicht genau diese sozialen Kontakte, die das Leben erst lebenswert machen? Ist es nicht die Kultur, die uns immer wieder Anregung und Inspiration gibt, um auch in beschissenen Situationen weitermachen zu können? Und habe ich nicht dem Veranstalter/Wirt gegenüber auch eine Verpflichtung, der jetzt sicherlich um seine Existenz bangen muss? Natürlich habe ich das! Aber ich habe auch noch eine viel größere Verpflichtung. Ich trage die Verantwortung für einen unglaublich, tollen, zweijährigen Sohn, ich trage Verantwortung für meine Eltern, ich trage Verantwortung für alle Risikopatienten und auch für die, denen vielleicht gerade gar nicht bewusst ist, dass sie Risikopatient sein könnten. Auch wenn mein Kopf dieser bekotzten Situation unbedingt die Stirn bieten möchte und sagt: „Scheiss drauf! Ich lass mich nicht von dir kleinkriegen! Ich gehe weiterhin da raus in die Welt!“, höre ich dennoch auf meinen Bauch. Und der fühlt sich nach meiner Absage bei dem Slam plötzlich wieder um einiges entspannter an. Ich bin wahnsinnig froh, dass der Veranstalter mir sein totales Verständnis für meine Entscheidung ausgesprochen und mir sogar umgehend einen Ersatztermin angeboten hat. Das ist auch nicht immer selbstverständlich.

Tja. Und was waren die News des Tages:

-Belgien und Frankreich schließen alle Schulen, Geschäfte und Restaurants
-Dänemark macht es ähnlich und schließt zudem ab morgen die Grenzen
- Donald (Idiot) Trump, der sich vor nur wenigen Wochen noch lachhaft über das Virus geäußert hat, hat den Notstand für die USA ausgerufen. Hach, das Virus wäre nur halb so entertainend ohne diesen Schwachmaten auf der anderen Seite des Ozeans.
-  U.A. auch in NRW werden ab Montag die Schulen und Kitas geschlossen
-  
Zu viele Nachrichten in meinem Newsfeed… ich komm gar nicht hinterher.

Wie die ganzen Mamas und Papas ihre Kinder betreut bekommen, das wird eine riesen Herausforderung. Im Internet beschweren sich schon die Ersten, die wegen der Ausfälle von Eltern jetzt doppelt so viel arbeiten müssen. So viel zum Thema Solidarität und sozialem Miteinander. Es ist ja nur die kommende Generation, die diesen Nörglern in der Zukunft im Altenheim den Ar… abwischen wird.

Ach ja… und habe ich schon erwähnt, dass heute Freitag der 13. ist?
Ich glaube ich geh jetzt besser mal ins Bett.

In diesem Sinne: Bleibt gesund und wascht euch den Pipimann!



Donnerstag, 12. März 2020

Corona Tag X+1: Was für ne Scheisse!

12.03.2020
Liebes Tagebuch!

wir Poeten und Schreiberlinge haben ja so ein ganz bestimmtes Laster. Die meisten von uns müssen hin und wieder mal ihre Gedanken zu Papier (bzw. auf den Bildschirm) bringen, einfach damit es einem besser geht. 
Da mein Kopf aktuell zerspringt, habe ich beschlossen hier mit einem kleinen Tagebuch anzufangen.
Ohne Netz und doppelten Boden (Sorry...und ohne Lektorat), einfach mal meine tagaktuellen Empfindungen zu dem Thema: "Drecksvirus, das alles gerade auf den Kopf stellt".
Wer Lust hat, kann mitlesen, wer nicht, der kann andere Dinge tun.
Wer mag kann kommentieren, wer nicht, der liest einfach nur. Man kann es gut finden, oder scheiße. That's life. 

Ok, eigentlich schreibe ich das Tagebuch auch nur, weil wir gerade wieder viel Resident Evil zocken. Da findet man ja im Game auch immer wieder diverse, ominöse Tagebucheinträge von irgendwelchen, namenlosen Menschen, die im Hintergrund schon vor sich hin verwesen. 
Also dachte ich mir, vielleicht ist das hier ja irgendwann mal ganz hilfreich für irgendwen, wenn die Zombieapokalypse über uns hereinbrechen sollte. 
Wobei.... eigentlich sind wir ja schon mittendrin im Szenario. Denn die seelenlosen Zombies laufen ja bereits schon in Massen hier herum. Nur fressen sie nicht Gehirne, sondern lassen hilflose Kinder irgendwo an den Grenzen verrecken und leiden,  nur damit ihnen Niemand das hochbegehrte Gehirn... äh Klopapier wegnimmt. 
Ganz normale Wohlstandszombies eben. 

Aber nun mal zum aktuellen Tagesgeschehen. 
Die News heute morgen waren: 
- USA schränkt Einreise von EU Bürgern ein
- Österreich schließt Bildungseinrichtungen für Schüler*innen Ü14 und rät auch dazu kleinere Kinder wenn möglich zu Hause zu betreuen.
- Italien beschliesst die Schliessung aller gastronomischen/öffentlichen Einrichtungen
- WHO erklärt Covid 19 offiziell zur Pandemie
- Xavier Naidoo ist ein Nazi (Hat nix mit dem Virus zu tun, fand ich aber dennoch mal erwähnenswert)
- Fussballspiele dürfen nur noch als Geisterspiele durchgeführt werden und gestern hat James Blunt in der Hamburger Elbphilharmonie vor komplett leerem Saal, dafür aber vor tausenden Menschen Online, ein Konzert gegeben. Und obwohl ich sonst gar nicht so auf seine Musik stehe war das ein unglaublich emotionaler Augenblick. 

Und wie geht es mir so dabei? Tja. Irgendwie fühlt sich das gerade so an als hätte jemand ein Karussell in meinem Kopf installiert. Eins, das so ein bisschen hin und her eiert und von einer Sekunde auf die nächste die Richtung wieder ändert. Noch kotze ich nicht, aber so ganz wohl ist mir bei der Fahrt auch nicht. 
Noch vor 2 Tagen hatte ich eine komplett andere Meinung als heute. Und übermorgen werde ich vermutlich wieder etwas komplett anderes sagen. Sowas kannte ich bisher auch noch nicht von mir. 
Ich merke, dass insbesondere meine Generation jetzt ein paar sehr wichtige Entscheidungen treffen muss. Oder vielleicht sind diese Entscheidungen ja letztendlich gar nicht so gewichtig wie wir denken, dass sie es sind?
Wer weiss das schon?

Naja, die nächsten Tage werden es zeigen. Da werde ich dann vermutlich auch mal detaillierter auf die Dinge und meine Entscheidungen eingehen. 

Für heute soll es das aber erst mal gewesen sein.

Viele Grüsse an auch alle da draussen!

Haltet die Ohren steiff und wascht euch die Hände und den Popo!