Sonntag, 25. Oktober 2015

Fangirls. Oder: Warum man Männer niemals mit zur Stage Door nehmen sollte

11.08.2015 Teil 3

„Bitte beachten Sie, dass Mr. Cumberbatch nach den Vorstellungen keine Stage Door machen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis“. So stand es noch vor einigen Tagen auf einem kleinen, laminierten Schild am Künstlereingang des Barbican. Der Hauptdarsteller des Bühnenstücks hatte zudem zuvor in diversen Talkshows darauf hingewiesen, dass es ihm sehr leid täte, aber es unmöglich wäre nach jeder Hamlet Vorstellung für einen Zeitraum von 3 Monaten jeden Tag zum Künstlereingang zu kommen, um Autogramme zu geben. 
Soweit der Plan. 
Die Realität machte dann aber bereits nach der dritten Aufführung eine 180° Kehrtwende. Nämlich an dem Tag, als Cumberbatch wie immer das Gelände durch die kleine, versteckte Glastür verlies und ein junges Mädchen hinter ihm her rief: „Benedict, ich habe heute Geburtstag und bin für das Stück extra aus Brasilien angereist.“ Ob es die Wahrheit oder einfach eine Notlüge des Fans war, man wird es wohl nie erfahren. Tatsache ist aber, dass auch Hollywood Stars ein weiches Herz haben und so kam es, dass Cumberbatch an diesem Tag eine Vollbremsung einlegte, zurück ging und dem Mädchen ein Autogramm gab. Und weil es ja dann den anderen, wartenden Fans gegenüber unfair gewesen wäre, bekamen diese eine Menge Autogramme und Selfies mit dazu. 

Vor der Vorstellung. Keiner da, außer laminierte Schilder.


Nur zwei Werktage später, verlasse ich zusammen mit den anderen Zuschauern die Hamlet Vorstellung. Ich lasse mich mit der Menge treiben und verarbeite innerlich immer noch dieses atemberaubende Theaterstück. Nachdem ich den Haupteingang verlassen habe, sehe ich zu meiner Rechten eine Menschentraube. Sie hat sich um den Künstlereingang geschart. Als ich näher trete erkenne ich, dass das ominöse Schild verschwunden ist. An seiner Stelle hängt jetzt ein Hinweis, dass man auf die Anwohner Rücksicht nehmen und nicht so laut sein solle. 
Moment mal! Nicht so laut, im Sinne von: „Oh mein Gott da kommt gleich ein Superstar aus der Tür, er wird nur einen Meter von mir entfernt stehen und deswegen kreische ich mir hysterisch die Seele aus dem Leib raus!“ ? 
Es beginnt zu regnen. Ich bin hundemüde, sollte eigentlich dringend zur U-Bahn gehen und endlich das Bett heimsuchen, welches bereits seit Stunden meinen Namen ruft. Aber die Traube am Seiteneingang ist relativ klein. Vermutlich glaubt keiner so recht, dass der Star des Abends tatsächlich aufkreuzen wird. 

NATÜRLICH gehe ich nicht zur U-Bahn, sondern beschließe mir das Treiben wenigstens aus gebührendem Abstand an zu sehen. 
Die erste Reihe vor dem Eingang ist durch ein paar Absperrgitter, wie man sie bei Konzerten benutzt, abgeschirmt. Dahinter stehen bereits drei Reihen von jungen Mädchen und jung gebliebenen Frauen. 
Weiter dahinter, im gebührenden Abstand warten die Ehemänner und Freunde der Damen. Im strömenden Regen sehen sie aus wie Hunde, die man vor die Tür geschickt hat. Einen ähnlichen Blick hatte mein Mann mal drauf, als er mich auf einer dreistündigen Shoppingtour begleiten musste. 
Er bedeutet ungefähr das: „Ich will nach Hauuuuuseeeee!“ 

Einzig neben mir hat sich ein junger Typ positioniert. Er steht dort zusammen mit seiner Freundin oder Schwester und macht sich bereits jetzt einen Spaß daraus seine Begleiterin permanent zu schocken. Sie ist leider einen ganzen Kopf kleiner und kann kaum etwas sehen, während er die beste Übersicht hat und alle zwei Minuten „Da ist er! Da ist er!“, ruft, woraufhin sie sofort zusammen zuckt und Geräusche von sich gibt, die klingen als hätte man einer winzigen Maus auf den Schwanz getreten. 
Ich gebe zu, ich hätte nie gedacht das ich das mal sagen würde, aber irgendwie fand ich das mehr niedlich als nervig. 
Als sich das erste Mal die Tür öffnet wird mir der Blick von einer Wand aus Smartphone Monitoren verwehrt. Hat natürlich auch einen Vorteil. Ein Blick auf die Bildschirme und ich bin hautnah am Geschehen. Das Gemurmel in der Menge wird lauter, die Maus neben mir fiepst wieder. Dennoch, Fehlalarm. Es war nur irgendein Mitarbeiter. 
Nur ein paar Minuten später geht es dann aber Knall auf  Fall. Ein Darsteller nach dem Anderen kommt aus der Tür und wird gebührend von der Menge gefeiert. 
Bei allem Respekt gegenüber einem Cumberbatch, darf man nämlich nicht vergessen, dass es sich hier um hochkarätige Schauspieler aus der Theater, TV und Filmwelt handelt, die hier mal eben heraus spazieren und sich auf ihr Fahrrad schwingen als wäre es das normalste auf der Welt. 
Gut, für sie ist es das auch, aber mir als Dorfkind fällt da dann doch immer wieder die Kinnlade herunter. Ja, die wohnen hier in London, die fahren hier Fahrrad, atmen Luft, fahren jetzt heim zu ihrer Familie und gehen dort wahrscheinlich zuerst mal eine Runde aufs Klo! Wer hätte das gedacht. 
Ciaran Hinds (bekannt u. A. aus Game of  Thrones), schreibt gemütlich Autogramme und macht Fotos mit den Fans. Matthew Steer, der den Rosencrantz spielt, klatscht jeden einzelnen in der ersten Reihe fröhlich ab und wandert dann gemütlich in Richtung U-Bahn. Und dann wird es doch zunehmend unruhig. Jeder fragt sich: Wird der Hauptdarsteller heute auch rauskommen und sein vor einigen Tagen gebrochenes Wort weiter durchziehen? 
Ich sehe nach hinten und warte auf die Hundertschaft, die ihn vermutlich abschirmen wird, sowie die komplette Stretch Limo Flotte, die den Darsteller anschließend nach Hause fährt. 
Nichts dergleichen passiert. Stattdessen geht auf einmal einfach die Tür auf und da steht er und winkt uns fröhlich entgegen. Ganz normal, ohne großes Zinnober. 
Die Handys gehen hoch, die Maus neben mir bekommt Atemprobleme, ihr Begleiter einen Lachkrampf. Wie gemein. 
Och kuck mal! Da isser ja!

Ich weiß, dass ich hier hinten keine Möglichkeit habe ein Autogramm oder Foto zu ergattern.Dennoch, für mich ist so was immer ein absolut unrealistischer Moment. Dieser Mann ist momentan einer der meistgefragtesten Schauspieler Hollywoods und zudem gerade frischgebackener Vater. Trotzdem bringt er es auch heute wieder nicht über das Herz seine Fans hier stehen zu lassen und wirft sich tapfer in die Menge. Ich bin überrascht, der Geräuschpegel hält sich sogar jetzt noch in Grenzen. Vermutlich weil jeder mitbekommen möchte was Cumberbatch da mit dem ein oder anderen Fan bespricht. 
Es sind nur kurze Gespräche. 
Ein freundliches „Hat dir mein Stück gefallen?“ oder „Ganz lieben Dank, dass du gekommen bist.“ 
Für mehr reicht die Zeit nicht, denn möglichst viele Fans sollen ein Autogramm erhalten. 
Inzwischen sind auch die Handys wieder herunter gesackt und so habe ich jetzt freien Blick auf „the Batch“. Er sieht aus als wäre er gerade erst aus der Dusche gesprungen. Kein Camouflage, der sonst im TV benutzt wird verdeckt seine Grübchen und die müden Schatten unter seinen Augen. Kleine Sommersprossen verraten, dass auch bei diesem Briten ein natürlicher Rotstich im Haupthaar vorhanden ist.  „Dä Jung es fussich“, wie man bei uns im Kölner Raum sagen würde. 
Die Menge lauscht gebannt was er erzählt, dann durchbricht Mausis Stimme auf einmal den Moment. Sie hat all ihren Mut zusammen genommen und piepst in Michael Jackson Manier ganz leise und doch für alle hörbar: „I love you!“ 
Die Wartenden brechen allesamt in sympathisierendes Gelächter aus und auch Cumberbatch kann sich das Grinsen nicht verkneifen. Irgendetwas sagt er auch, aber ich kann leider nicht verstehen was. Dummerweise bekommt Mausi davon nichts mit, sie ist zu klein. 



Nach einer Weile verabschiedet sich unser Star und geht winkend zurück ins Gebäude. Moment? Gibt es noch einen Ausgang? Oder pennt der jetzt hinter der Bühne? 
Während ich noch darüber sinniere löst sich die Menge langsam auf. Doch das Piepsen in meinem Ohr will einfach nicht verschwinden. Als ich mich zur Seite drehe verstehe ich warum. Der Begleiter von Mausi hat den denkwürdigen Augenblick auf seinem Smartphone verewigt und macht sich einen Spaß daraus die drei Worte „I love you!“ in Dauerschleife ab zu spielen. Es klingt als hätte ein schlechter Rapper Helium inhaliert. 

Leider etwas unscharf. Bezieht sich natürlich nicht auf die Person auf dem Bild!


Ich sehe, dass Ciaran Hinds tatsächlich noch da ist und mit ein paar Fans spricht. Er ist im Schatten des Hauptdarstellers auf einmal eine ganz normale Gestalt in Mitten der Menschen geworden. Ich beschließe nun aber endgültig den Heimweg an zu treten. 
Als ich am Haupteingang vorbei komme taumeln vor mir zwei beseelte Mädchen mitten über die Straße und begutachten die Fotos, die sie mit ihrem Smartphone geschossen haben. In diesem Moment schießt aus einer Seiteneinfahrt des Barbican eine schwarze Limousine. Ein geparkter Van versperrt dem Fahrer die Sicht. Ich sehe bereits einen Zusammenstoß vor meinem inneren Auge, doch im letzten Moment bemerkt der Fahrer die beiden Mädchen und legt eine Vollbremsung hin. Die beiden springen entsetzt zur Seite und bekommen gleich darauf einen zweiten Herzinfarkt als der Passagier auf der Rückbank sich kurz zu ihnen herüber beugt und fragt ob alles ok ist. Ich kann die Silhouette seines Kopfes erkennen und anhand der absolut perplexen Reaktion der Mädchen weiß ich, wer da hinten drin sitzt. Ein kurzes Winken, dann düst die Limousine davon. Den beiden Mädchen wird erst jetzt bewusst was da gerade passiert ist und sie umarmen sich kreischend. Ganz sicherlich aber nicht, weil sie gerade einem beinahe Unfall entgangen sind. Von Benedict Cumberbatch (bzw. seinem Chauffeur) fast überfahren werden, das passiert einem auch nicht alle Tage. 
Hinter mir ertönt ein fiependes „I love you“. Ja, definitiv Zeit ins Hotel zu fahren. 

Der nächste Tag in London ist mal vollkommen Star frei. Was ich erlebt habe, das erfahrt ihr im nächsten Eintrag.  

Stay Professional

Donnerstag, 15. Oktober 2015

Filmreview „Crimson Peak“. Oder: Wenn Rosamunde Pilcher das Hackebeil schwingt

15.10.2015 
(Kurzes Intervall zum London Trip, aufgrund aktuellem Anlass. Ich war gestern im Kino!)

Ich gebe zu, eigentlich mag ich Filmreviews nicht so gerne. Ich bin immer der Meinung, dass sich jeder selber ein Bild machen sollte. Es ist immer eine Frage des Geschmacks. Manche mögen es halt, wenn Vampire im Sonnenlicht anfangen zu glitzern, während Andere alleine bei dem Gedanken daran am liebsten mit dem Gesicht voran in eine Backsteinwand rennen würden. Ich fürchte ich gehöre eher zur Backstein Fraktion. Ich bin zudem kein großer Fan von Liebesfilmen. Es gibt nur wenige Filme, die mir in dem Genre das Herz erweichen können. 
Von Crimson Peak hatte ich mir definitiv eine Liebesgeschichte erwartet, diese aber gepaart mit einem gehörigen Schuss Horror, einer Prise Gothic Ambiente und als Sahnehäubchen einen Spritzer Erotik. Letztendlich ist Crimson Peak auch genau diese Mischung, allerdings sind die Zutaten anders abgewogen worden. 

Das lecker Sektchen gab's gratis dazu. Das Heft allerdings nicht. Das ist aus UK importiert. 

Ich hätte es eigentlich schon ahnen müssen als der Streifen in der „Ladies Night“ im Cinemaxx in Wuppertal anlief. Dennoch, die Tatsache, dass mein Lieblingsschauspieler Tom Hiddleston in dem Werk mitspielt und das Ganze von Guillermo del Toro verfilmt worden ist, lies keinerlei Ausrede gelten. Ich MUSSTE diesen Film sehen und zwar nicht nur ich, sondern auch mein Mann... 
Der allerdings nicht freiwillig, denn ich hatte die fixe Idee den armen Kerl mit ins Kino zu schleifen, damit ich mich bei den ganzen Horror-Schock Momenten an ihn krallen konnte. 
Zum Glück ist er trotz dem Titel „Ladies Night“ nicht der einzige Mann im Kino. Im Eintrittspreis enthalten ist eine kleine Flasche Prosecco. Der Ehemann ist nett, überlässt mir seinen Anteil an der Prickelbrause und legt sich lieber ein Bier zu. 
Im Kinosaal scheint fast die Hälfte der Damen bereits beschwipst , denn als der Film anfängt quasseln die Ladies immer noch fröhlich weiter als wäre nichts gewesen. Das erheiterte Geschnatter hört erst auf, als bereits die dritte Szene über die Leinwand flackert. Gerade noch rechtzeitig um zu vermeiden, dass ich aufstehe und die quatschenden Damen hinter mir anpampe mit den Worten: „Mädels! Ich hatte heute einen scheiß Tag im Büro. Mein einziger Trost ist, dass da gleich einer der geilsten Kerle der Filmgeschichte über die Leinwand läuft und den Moment will ich genießen! ALSO HALTET ENDLICH DIE KLAPPE!“ 
Zum Glück passiert das nicht und als Hiddleston das erste Mal im adretten Anzug im Rampenlicht erscheint, drückt es mich noch etwas tiefer in den Kinosessel. 

Also Leute, wenn ihr Hiddles Fans seit: Optisch hat der Film mal wieder absolute Bestnote verdient! Aber ich muss zugeben, nicht nur der Hauptdarsteller macht etwas in Sachen Optik her. Die Bilder, die del Toro auf die Leinwand zaubert sind wunderschön, die Kostüme aus der viktorianischen Zeit atemberaubend. Dennoch, all dies täuscht nicht darüber hinweg, dass das erste Viertel des Filmes eher einem Jane Austen Liebesroman ähnelt, als einem Horror Streifen. Die Protagonisten sprechen im geschwollenen Englisch der viktorianischen Zeit. 
Naja, wenn es wenigstens Englisch wäre. Die deutsche Synchronisation tut hier leider wieder ihr Bestes um die ganze Atmosphäre zu verhageln. Jeder dieser gestelzten Sätze ist im Deutschen noch einschläfernder und schmerzt in meinem Gehörgang wie Schmirgelpapier. Aber darüber könnte ich hinweg sehen, wenn der von Streichinstrumenten überrannte Soundtrack nicht noch eine gehörige Portion Schmalz auf das eh schon triefende Butterbrot schmieren würde. Und so wird auch der erste Kuss unserer Protagonisten entsprechend akustisch untermalt. 
Ich blende all das Drumherum aus und konzentriere mich auf die doch sehr beeindruckende Fähigkeit des Herrn Hiddleston einen Filmkuss in ganz großes Kino zu verwandeln. Die Szene nimmt mich, das unromantischste Mädchen der Welt tatsächlich für einen Moment gefangen. Dann fängt meine Sitzreihe auf einmal an zu wackeln. Als ich mich zur Seite drehe erkenne ich, dass es sich nicht um ein Erdbeben handelt, sondern um meinen Ehemann, der sich vor Lachen den Bauch und Mund halten muss. 

Uuuund die Romantik zerplatzt wie eine Seifenblase. 

Immerhin geschieht jetzt endlich der erste Mord und der ist in der Tat nicht schlecht gemacht. Del Toro versteht es in Mitten des Kitsches eine ziemlich fiese Szene zu packen. 
Das Problem ist nur, dass ich kurz zuvor erst alle Teile von Nightmare on Elm Street und als Bonus noch Chucky die Mörderpuppe gesehen hatte. 
Ich fürchte irgendwas stimmt nicht mit mir, denn eine von einem Massenmörder besessene Puppe niedlich zu finden, klingt irgendwie… seltsam. Somit bin ich diesbezüglich also abgehärtet und vermute, dass es sich hierbei erst mal um die Vorspeise handelt. Der Hauptgang kommt aber leider erst einmal nicht. Für mich kommen die Charaktere irgendwie nicht so richtig in Fahrt. Die Liebesgeschichte hingegen schreitet mir viel zu schnell voran. Vielleicht ist man in der heutigen Zeit einfach zu sehr verwöhnt von wirklich gut gemachten Serien in denen die Protagonisten genug Zeit haben sich in Ruhe zu entwickeln und sich in unsere Herzen zu spielen. Im Film muss man da halt einfach schneller ran, sonst säßen wir alle jetzt noch im Kino. 
Ein Lichtblick ist für mich Hauptdarstellerin Jessica Chastain, die in der Rolle der zwielichtigen Lucille Sharpe überzeugt. Natürlich spielt auch der Rest des Ensembles gut, aber wer diese Schauspieler aus anderen Filmen oder Serien kennt, weiß dass sie weit hinter ihren Fähigkeiten bleiben. Das liegt meines Erachtens nicht an ihnen sondern am doch recht einfachen und vor allen Dingen vorhersehbaren Script. Was mich am allermeisten ärgert ist, dass Regisseur del Toro (ob mit Absicht oder nur durch Zufall) viel zu sehr der Thematik des Filmes „Das Geisterschloss“  (The Haunting) von Jan de Bont aus dem Jahre 1999 aufgreift. Auch dort haben wir ein Herrenhaus mit verwinkelten, geheimen Räumen, die sich zum Teil sogar optisch mit Crimson Peak ähneln. Ein faszinierendes Gebäude, das irgendwie zu leben scheint und Geister, die den Weg weisen. Da hätte ich mir etwas mehr Kreativität erwartet. Andererseits, diese Attribute haben Geisterschlösser nun mal an sich und das erwartet der Zuschauer auch. Die gruselige Grundstimmung ist den ganzen Film über präsent und wird sehr atmosphärisch und konsequent rübergebracht. Das gefällt mir. 
Dazwischen wird der Hiddles Fan dann noch mit einer hübschen, erotischen Szene belohnt, in der der Hauptdarsteller einmal die Rolle tauscht (wohl mit Absicht, wie man einigen Interviews vorab entnehmen konnte). Normalerweise heißt es bei solchen Szenen ja immer bei der weiblichen Hauptrolle: Klamotten weg, Titten raus! Hier nicht! Hier bleibt die Heldin bedeckt und Herr Hiddleston entblößt bereitwillig sein Hinterteil. Sehr zur Freude der quietschenden Damenreihe hinter uns. 
Ich reiße mich zusammen, damit mein Mann mir nicht die Scheidungspapiere einreicht. 
Überhaupt sind die Frauen in diesem Film das stärkere Geschlecht. Sir Thomas Sharpe ist eher ein Spielball und ähnelt in seiner Tragik sehr an „Loki“ aus den Avengers, den Hiddleston bereits brillant in den Marvel Filmen portraitierte. Und so zeigt er auch in Crimson Peak mehr als einmal mit einem formvollendeten Hundeblick, dass er Stein (in dem Fall mein Herz) in Pudding verwandeln kann. 
Ein komplett identischer Hundeblick schaut mich allerdings auch an, als ich mich zur Seite drehe. Diesmal nicht gespielt sondern mit herzzerreißender Ehrlichkeit. Der Ehemann braucht eigentlich gar nichts sagen. 
Diese gequälten Augen verraten mir: „Bitte, töte mich! Erlöse mich von dieser Schmonzette. Außerdem ist mein Bier alle.“ 
Ich bekomme tatsächlich ein schlechtes Gewissen. Wenn mir der Film schon zu viel ist, dann muss er für einen Mann wie ein Trip durch die Hölle sein. Doch der Gatte hält weiterhin tapfer durch, gefangen in einem dunklen Raum voller Östrogen gefluteter Damen. 
Der Showdown hält dann doch noch so einiges an blutigen Effekten parat. Man tötet hinterhältig und vor allen Dingen mit Klingen. Zum Einsatz kommen lange Messer, kurze Messer, mittlere Messer, Hackebeile, Macheten. Man könnte fast meinen der Film sei in Solingen gedreht worden. 



Nun denn, was kann ich als letztes Resümee von mir geben. Ich gebe zu, in diesem Text liest sich der Film wie eine reine Katastrophe. ABER, wie ich bereits sagte, ich bin dafür kein Maßstab. Ich liebe Gothic Filme, wie Tim Burton sie auf die Leinwand zaubert. Sie haben für mich die richtige Mischung aus Horror, Liebe, Brutalität und vor allen Dingen Humor (aber auch da scheiden sich die Geister!). Crimson Peak setzt ähnlich auf, allerdings ist die Mischung anders verteilt und legt den Hauptwert auf die Liebesgeschichte. Es ist also meines Erachtens kein richtiger Horrorfilm, sondern eher ein romantisches Gothic-Grusel-Märchen. Und das macht der Film absolut gut! 
Wer diese Symbiose mag, um Himmels Willen: Geht bitte in den Film rein! Es ist genau das was er rüberbringen will und was er absolut richtig macht!
Lasst euch durch mein Gequatsche nicht abschrecken. Der Film ist wunderbar romantisch und hat wirklich ein paar tolle Dialoge, die selbst mir eine kleine, wohlige Gänsehaut verpasst haben. Lasst euch darauf ein, hinterfragt nicht zu sehr und genießt den Abend. Dann kann eigentlich nichts mehr schief gehen.

Stay Professional 

Donnerstag, 8. Oktober 2015

Achtung Spoiler! Oder: Ein Hamlet ist keine Eierspeise!

11.08.2015 Teil 3
Ich nehme es gleich vorweg:
In diesem Beitrag wird gespoilert! 
Nein, das hat nichts mit einer hässlichen Plastiktheke, die man hinten ans Auto schraubt zu tun. Es geht darum, dass vielleicht einige von euch das Glück haben in den nächsten Wochen noch die Hamlet Aufführung in London live mit zu erleben, ODER das Theaterstück im Kino eures Vertrauens am 15.10.2015 per Liveschaltung genießen zu können. 
Wer sich aber dennoch traut weiter zu lesen dem sei gesagt: Es gibt Dinge, die kann man eigentlich gar nicht spoilern. Denn sie sind allgemein bekannt. 
Ich rede hier von Kinogängern, die im Film Titanic sitzen und am Ende entsetzt sagen: „Wie? Das Schiff ist untergegangen?“
Das ist genauso als ob man Hänsel und Gretel lesen würde und überrascht feststellt: „Ach was! Die Hex ist tot?“
Ich kann natürlich verstehen, dass man in Zeiten von Game of Thrones oder The Walking Dead etwas panisch ist. Die Autoren sind nämlich gemein und bringen auch gerne mal einen der Hauptcharaktere um, ohne dass man etwas davon ahnt. Bei den klassischen Werken von Shakespeare ist das anders. Der killt natürlich auch gerne Leute, aber wie bei der Titanic weiß man meist wie es ausgeht, sofern man in der Schule einen sadistisch veranlagten Englischlehrer hatte. 
Wer sich aber dennoch komplett überraschen lassen möchte, dem gebe ich hier trotzdem einen Rat: Bevor ihr euch das Stück anseht, nehmt das Buch zur Hand und lest es! Mein  Englisch ist wahrlich nicht schlecht ist, aber selbst mir fällt es schwer der shakespeareschen Sprache zu folgen. 
Mit dieser Vorahnung hatte ich mich zuvor durch die Seiten einer grottenschlechten Hamlet Übersetzung gequält. Es macht keinen Spaß das zu lesen, da bin ich ehrlich, aber es hilft einem am Ende ungemein, das Stück richtig verstehen und genießen zu können. 

Haltestelle "Barbican"

Ich mache mich also am frühen Abend auf den Weg zum Barbican Theater. Nach erneutem Gedränge in der U-Bahn blieb lediglich Zeit zum frisch machen und weiterreisen, das Nickerchen musste wieder einmal zurückgestellt werden. 
Und so sitze ich jetzt im Foyer dieses unfassbar riesigen Komplexes. 
Das Barbican ist ein gigantisches Kulturzentrum. Hier gibt es Kinos, Ausstellungsräume, Seminarräume, ein Gewächshaus auf dem Dach und natürlich das Theater. Ich bin fast zwei Stunden zu früh da. Das macht mir aber nichts, denn so kann ich noch ein wenig über die verschiedenen Etagen flanieren, den Museumsshop besuchen und eine Runde auf den gemütlichen Ledersitzen entspannen. 
Endlich Ruhe! 
Und wer hätte das gedacht, im Barbican ist es wirklich ruhig! 
Fast hätte ich Ohropax eingepackt, da die britische Presse doch bereits im Vorfeld mehrfach von kreischenden, Selfie machenden, pubertären Fans des Hauptdarstellers berichtete, die wie eine unkontrollierte Meute jeglichen Theaterbesuch zunichte macht. 
All dies stellt sich als kompletter Blödsinn heraus. 
Es stimmt natürlich, dass jede  Nacht Leute vor dem Barbican campieren um die begehrten, letzten Tageskarten für die Vorstellung zu ergattern. Dies ist in London allerdings nicht unüblich, ganz unabhängig von der Aufführung. Selbst jetzt sitzen noch jede Menge Leute vor dem Ticketschalter und hoffen auf Karten, die im letzten Moment zurückgegeben werden. 
Als ich an den Wartenden vorbei marschiere bin ich erst einmal verwirrt, doch ein Blick auf ein kleines Schild gibt mir Gewissheit. Ja, das hier ist tatsächlich die Warteschlange für Hamlet mit dem Frauenschwarm Benedict Cumberbatch. Ein weiteres Klischee wird sofort atomisiert. Hier campieren heute fast nur Männer! Wer hätte das gedacht?
Horden von kreischenden, hoch gewachsenen Fangirls mit starkem Bartwuchs belagern wie jeden Tag das Barbican!

Kurz vor der Vorstellung macht sich dann doch etwas Nervosität in mir breit. Wie wird das Stück wohl werden? Wird alles gut gehen? Die Premiere war erst letzte Woche, da passieren am Anfang immer mal wieder ein paar Fehler. 
Und vor allen Dingen: Wie viele Schlüpfer und BH’s werden im ersten Akt auf die Bühne geworfen? 
Werden wir Damen unsere hormongefluteten Körper kontrollieren können und ausnahmsweise mal nicht nackt durch den Saal rennen? Ich wette da sitzen tatsächlich jeden Abend Redakteure von irgendwelchen Schmierblättchen im Auditorium und warten nur darauf, dass irgendetwas passiert, was sie anschließend bis zur Unkenntlichkeit verwursten können. 
„Hysterische Zuschauerin weint während des ganzen Stücks!“, lauten dann die Schlagzeilen, dabei hatte die Ärmste nur eine Erkältung. 
Eines steht fest, ausziehen wird sich heute Abend niemand, denn die Klimaanlage des Barbican gibt ihr Bestes. Ich warte nur noch darauf, dass Schnee von der Decke rieselt. 
Ich habe einen recht guten Platz, genau in der Mitte des riesigen Saales ergattert. Als das Licht gedimmt wird verstummt das Stimmengewirr. 
Der Vorhang öffnet sich und vor uns erscheint ein kleines Zimmer. Das Bühnenbild ist minimalistisch. Eine geschlossene Tür, eine antike Truhe mit Erinnerungsstücken und daneben Hamlet, bzw. Mr. Cumberbatch persönlich. Er steht einsam im Rampenlicht, durchforstet die Kiste und sinniert mit einer Stimme, die Titan zum Schmelzen bringt: „To be or not to be?“ („Sein oder nicht sein?“). (Übrigens ein Experiment der Regisseurin, diese berühmten Worte bereits an den Anfang des Stückes zu setzen. Wie sich nach den ersten Aufführungen aber herausstellte, kam dieser Wechsel beim Publikum nicht so gut an, weswegen man den Part nach ein paar Vorführungen wieder an seinen ursprünglichen Platz, nämlich ins letzte Drittel, versetzte.)
Ich lehne mich zurück und komme aus dem Grinsen nicht mehr heraus. Ich bin einfach nur dankbar dafür, solch einen Schauspieler nur wenige Meter vor mir, live performen sehen zu dürfen. Im Saal kann man eine Stecknadel fallen hören, alle hängen gebannt an den Lippen des Hauptdarstellers. Dass mich nur wenige Minuten später eine ganz andere Sache aus den Schuhen hauen wird, ahne ich jetzt noch nicht. 
Mit einem gruseligen Lichteffekt kommt Hamlets Vertrauter Horatio auf die Bühne, es folgt ein kurzer Dialog. Und dann Szenenwechsel. 
Das ist der Moment in dem mir die Kinnlade herunterfällt. Es stellt sich heraus, dass die Bühne, die wir bis dato gesehen haben nur ein Bruchteil von dem ist, was den Zuschauer erwartet. Die Wand des spartanischen Zimmers verschwindet in der Bühnendecke und was dahinter zum Vorschein kommt ist so gigantisch, dass ich sofort eine Gänsehaut bekomme. 
Kennt ihr den Moment, wenn sich die Leinwand im Kino vergrößert, kurz bevor der Hauptfilm anfängt? 
Dann wenn das Kino mit beeindruckendem Surround Sound prahlt mit was für einer genialen Technik es aufwarten kann? 
Der Moment wenn man das Gefühl hat die Leinwand legt sich einmal über das Gesicht bis hinter die Ohren? 
Dieses Gefühl mit 100 multipliziert, ja, das kommt ungefähr hin. Die Halle eines riesigen Schlosses taucht auf, mit Kristall-Kronleuchtern, so groß wie mein Büro. Die Schauspieler versammeln sich um eine üppige Tafel und wirken in der Kulisse plötzlich wie winzige Püppchen. Die Bühne scheint einfach unendlich. Sie ist nicht nur breit, sondern geht auch noch so weit in die Tiefe, dass man im Hintergrund noch weitere Zimmer sieht, und selbst dahinter noch eine Ebene. 
Über die Treppe zur Linken kommen weitere Darsteller ins Bild, gekleidet in detailverliebte Roben. Es ist eine Mischung aus den zwanziger Jahren und etwas, dass einem Tim Burton Film entsprungen sein könnte. Die Wände sind in schmutzigem Petrol gestrichen und drücken die Stimmung und das Licht. 
Spätestens jetzt zeigt uns das Bühnenbild in eindeutiger Art und Weise: „Something is rotten in the state of Denmark“ („Etwas ist falsch/faul im Staate Dänemark“).

Das Stück beginnt und für die nun folgenden 3 ½ Stunden werden wir Zeugen einer Inszenierung, die zeigt, dass hier die besten Theaterproduzenten der Welt am Werk sind. Natürlich steht an der Spitze das Aushängeschild Benedict Cumberbatch, ein Schauspieler, dem die Perfektion in die Wiege gelegt worden sein muss. Er sprintet und tanzt zugleich über die Bühne, jeder einzelne Schritt sitzt, jeder Satz perlt aus seinem Mund wie eine perfekt komponierte Melodie. Würde ich jedes Detail hier wiedergeben, ich müsste einen Roman verfassen. 
Aber ein Team stellt selbst diesen Schauspieler, im wahrsten Sinne des Wortes, in den Schatten. Damit meine ich die Bühnenbildner, Soundtechniker und Beleuchter. Sie nehmen das Publikum, wirbeln es in eine komplett andere Welt und lassen es im Strudel der Bilder, die sie live vor ihm zeichnen, ertrinken. Vielleicht das einzige, kleine Manko, denn dadurch geht manch schauspielerische Leistung leider etwas unter. 
Einige Szenen hingegen setzen die Darsteller wiederum genau ins richtige Licht. Das passiert immer dann, wenn einer der für Shakespeare typischen Monologe an die Reihe kommt. Normalerweise würde die Figur in diesem Moment alleine auf der Bühne stehen. Bei solch einer riesigen Szenerie ist es aber ein Ding der Unmöglichkeit erst mal wieder alle anderen aus dem „Bild“ zu schaffen. 
Hier bedient man sich eines sehr wirkungsvollen Tricks: Während das Spotlight auf den Monolog Haltenden zielt, wird der restliche Raum in schummriges Zwielicht versetzt. Die übrigen Darsteller verfallen auf einmal in sehr langsame Bewegungen und so sieht es aus als würde alles in Zeitlupe laufen, bis auf die Person im Licht. Es ist als ob man eine dieser computergenerierten Szenen aus Matrix anschaut. 
Kaum ist man über diesen grandiosen Effekt hinweg gekommen, erschüttern Konfettikanonen die Zuschauer. Schwarzes Papier wird wie ein Sturm über die Bühne geblasen und entlassen das Publikum in eine kurze Pause. 
Meines Erachtens ist dieses Intervall eigentlich viel zu kurz um die komplette Bühne in ein Trümmerfeld voller Schutt zu verwandeln. Die Bühnenbildner müssen Zauberer sein, oder haben uns heimlich für ein paar Stunden narkotisiert, da bin ich mir eigentlich sicher, denn wo kommen auf einmal diese Berge von Geröll her, die sich nach der Pause quer über die Bühne ergießen? 

Doch es ist nicht nur alles Drama, denn dieser Hamlet ist gleichzeitig sehr humorvoll. Vor allen Dingen dann, wenn der dänische Prinz vorgaukelt, verrückt geworden zu sein. Und auch da enttäuscht der Hauptdarsteller nicht. Cumberbatch beherrscht sowohl Drama als auch Komödie und das alles in einem Stück. 


Wer neugierig ist,
wie das Ganze aussieht, 
der kann sich hier den offiziellen Trailer 
für die kommende Live Übertragung ansehen:



Nach dreieinhalb Stunden fällt der Vorhang und das Publikum beschenkt das Ensemble mit stehenden Ovationen. Die Darsteller kommen noch einmal nach vorne und verneigen sich. Und auch jetzt fliegen keine BH’s oder Schlüpfer. 
Doch! Eine Sache gelangt tatsächlich auf die Bühne. Ein junges Mädchen steht auf und überreicht dem Hauptdarsteller einen hübschen, kleinen Blumenstrauß. Cumberbatch bedankt sich, indem er der Schenkenden einen Luftkuss zuwirft, bleibt aber ganz Gentleman und reicht die Blumen an eine der weiblichen Darstellerinnen weiter. Dem Mädchen macht das nichts aus. Sie schwebt nach dieser Aktion bereits auf Wolke 300. 
Und so geht ein weiterer Theaterabend zu Ende… 
... denke ich, denn eigentlich hieß es ja immer, dass der Herr Cumberbatch nicht zur Stage Door kommen und nach dem Stück keine Autogramme geben wird. Eigentlich…, aber dazu mehr im nächsten Eintrag.


Stay Professional