Dienstag, 10. November 2015

Weekend of Hell. Oder: Warum Romantik im Splatter Genre irgendwie irritierend ist

08.11.2015

Am zweiten Wochenende im November  ist es soweit. In meiner näheren Umgebung finden sage und schreibe drei Conventions statt. Da wäre einmal die Ring Con in Bonn, das Weekend of Horrors in Bottropp  sowie das Weekend of Hell in Oberhausen. Da sich die Ring Con sehr mit den Themen Outlander und Game of Thrones beschäftigt, die (Schande auf mein Haupt!) von mir leider bis heute noch nicht gebührend geschaut/gelesen werden konnten, entscheiden wir (der Ehemann und ich) uns für das Weekend of Hell. 
Und so kommt es, dass ich an einem Sonntagmorgen bereits um sieben Uhr in der Früh im Badezimmer stehe und mit zittrigen Fingern versuche, farbige Kontaktlinsen in meine Augen zu transportieren. Ich bewundere alle Linsenträger, die mit einem beherzten Fingerdruck auf den Augapfel, ihre Sehhilfe einsetzen. Ich hingegen brauche dafür fast eine halbe Stunde und schaffe es, die Linsen dutzende Male ins Waschbecken plumpsen zu lassen. Nachdem das Drama endlich überstanden ist und die Zombie Eyes sitzen, wird der Look ganz von alleine mit blutunterlaufenen Augen vervollständigt. Vielleicht hätte ich vorher die Seifenrückstände aus dem Waschbecken entfernen sollen… 
Dummerweise fällt mir erst jetzt auf, dass meine Schminke „künstlicher Blutschorf“ komplett eingetrocknet ist, weswegen die Maske leider um einen wunderbaren Effekt geschmälert wird. 
Ihr habt es inzwischen sicherlich schon erraten: Da ein Prinzessin Lillifee Kostüm auf solch einer Veranstaltung nicht wirklich passt, verkleide ich mich als Zombie. Aber nicht als irgendeiner, sondern als One broke Zombie Girl (Untote Version von Max aus der Sitcom "two broke girls"). 
Zwei Stunden später bin ich endlich fertig und will dem Look mit einem Spritzer Kunstblut aus der Sprühflasche komplettieren. Zu dumm wenn man die Düse verkehrtherum hält und die ganze Grütze auf dem Badezimmerspiegel landet. Das Bad sieht aus als hätte ein Akne geplagter Teenager eine Pickelausdrückorgie veranstaltet. Leider bleibt aber keine Zeit mehr zum Aufräumen und so darf sich mein Mann jetzt in einem vollkommen verwüsteten Zimmer fertig machen. Er kommentiert das Szenario mit einem aufrichtigen „Bah!“. 


Don't Dead Open Inside?



Auf dem Weg nach Oberhausen versuche ich mich auf dem Beifahrersitz möglichst unauffällig zu verhalten. Schließlich will ich auf der Autobahn keinen Unfall verursachen, indem ich den Leuten auf der rechten Fahrspur freundlich zulächle, weil ich vergessen habe, dass mein Gesicht gerade so aussieht als wäre ein LKW darüber gefahren. Auf dem letzten Drittel der Fahrt muss ich dann etwas meditieren, da meine kleine Mädchen Blase ihrem Namen wieder mal alle Ehre macht. Ein Besuch auf einer Autobahnraststätte in diesem Aufzug, am besten noch genau in dem Moment wenn ein Reisebus mit Rentnern vorfährt, das muss unbedingt vermieden werden. Ich halte tapfer durch, und zum Glück sind wir unter den ersten Gästen und müssen nicht lange anstehen. Nachdem ich die Toiletten der Turbinenhalle in Oberhausen begutachten konnte, machen wir uns jetzt mit dem restlichen Gelände vertraut. 

Das WOH findet in drei aneinander grenzenden Hallen statt. Auch wenn das Areal nicht besonders groß ist, sind die einzelnen Räume doch sehr verwinkelt. Da es leider keinen Lageplan gibt, beschließen wir uns an der Information schlau zu machen. Doch dieses simple Vorhaben lässt mich ernsthaft an der Zukunft der Menschheit zweifeln. Der junge Mann hinter der Theke ist äußerst freundlich, nur wäre er an vermutlich allen anderen Plätzen besser aufgehoben als an der Info. 
Auf die Frage „wo denn die Panels stattfinden“, sieht er uns an als hätten wir gerade ein chinesisches Gedicht aufgesagt. Wir versuchen den Begriff Panel also etwas einfacher zu umschreiben. „Wo ist denn die Bühne auf der die Stargäste Fragen aus dem Publikum beantworten?“  
Ich weise hiermit nochmal darauf hin, dass wir uns gerade an der offiziellen INFORMATION der Veranstaltung befinden. 
Die Antwort des Herrn lautet: „Du, keine Ahnung. Ich kenn mich hier nicht so aus.“  
Während ich mich bereits nach den versteckten Kameras umsehe, höre ich wie in meinem Mann irgendetwas zerbricht. Ich glaube es sind seine Zähne, die er krampfhaft aufeinander beißt. Super Idee jemanden an die Info zu setzen, der keine Ahnung von einer Location hat, die gerade mal aus 3 Hallen besteht und deren Bühne sich, wie wir kurz darauf feststellen, direkt im Raum nebenan befindet. Einen Nichtschwimmer an einem Triathlon teilnehmen zu lassen wäre nicht weniger innovativ. 



Aber genug gelästert. Der Saal in dem die Stars auf uns warten füllt sich bereits gut. Die Schauspieler sitzen dort an Tischen und signieren Fotos, DVD’s oder was auch immer man unterzeichnet haben möchte. Im Gegensatz zur FedCon/RingCon gibt es hier keine feste Autogrammstunde, sondern die Stargäste sind eigentlich die ganze Zeit im Raum präsent, es sei denn sie sind gerade bei einem Fotoshooting, bei einem Panel oder in der Pause. Das Schöne hier ist, dass der Andrang pro Star über den Tag verteilt relativ gering ist, weswegen man die Möglichkeit hat mit dem ein oder anderen einen unbeschwerten Plausch zu halten. 

Sarah Butler von "I spit on your grave"
Robert Maillet, der Riesentyp aus "Sherlock Holmes". Oh mein Gott!!! Der durfte Robert Downey Jr. würgen! :-)

Wir beschließen das Autogrammsammeln auf später zu verschieben und sehen uns das erste Panel des Tages an. Schauspielerin Jennifer Rubin aus dem Film „Nightmare on Elm Street 3 (Dream Warriors)“ stellt sich den Fragen der Besucher. Leider grenzt die Bühne direkt an den Autogrammraum und ist lediglich durch eine Stoffwand von der doch recht lauten Geräuschkulisse des restlichen Saales getrennt. Da helfen leider auch keine Lautsprecher und man versteht in den hinteren Reihen leider nur wenig. Gut geregelt ist allerdings, dass die Schauspieler immer von einem Mitarbeiter des WOH begleitet werden, die das Panel in sehr gutem Englisch leiten und gerne auch mal eingreifen, sollte der Fragesteller nicht die richtige Vokabel parat haben. 

Im Anschluss an das Panel stöbern wir durch die Händlerräume. Das WOH erinnert hier eher an eine DVD Börse, da diese das Hauptangebot darstellen. Es gibt aber auch ein paar T-Shirt Stände sowie die Möglichkeit sich vor Ort tätowieren zu lassen  (Und NEIN, letzteres habe ich nicht in Anspruch genommen!). 
Wenn man als Otto Normalverbraucher über das DVD Angebot blickt, muss man über drei Dinge verfügen. Das ist zum einen eine sehr hohe Toleranzgrenze, eine gehörige Portion schwarzen Humor sowie einen stabilen Magen. Denn ja, wir befinden uns hier auf einer Convention, bei der es nun mal um das Horror Genre geht. Da springen einem an jeder Ecke DVD Cover entgegen, die entweder in einer Fleischerei entstanden sind, oder die besten Rezepte für rote Grütze präsentieren. Mein Blutspray Massaker im Badezimmer ist dagegen ein Witz. 

Ich gebe zu, wir sind da doch eher dem Mainstream zugetan. Wenn Horror, dann so etwas wie „The walking dead“, „Freddy Krüger“, oder nicht ganz ernst gemeinte Komödien wie „Zombieland“. Alles was darüber hinaus geht, ist auch uns zu krass. 
Besonders abgefahren sind z. B. die B-Horror Movies, die sich hauptsächlich mit barbusigen Schönheiten rühmen die von irgendwem oder irgendwas entführt, zerstückelt oder entjungfert werden. Und von japanischen Manga Horror/Pornos möchte ich gar nicht erst anfangen. Ergo: Ich habe Dinge gesehen, die ich mir jetzt immer noch am liebsten aus dem Kopf dreschen möchte. Dazu gehört z.B. auch das Panel von Schauspieler „Dieter Laser“ (deutsch ausgesprochen). 
Freuuuunde…! Also, wie soll ich sagen... Horrorschauspieler sind eine Klasse für sich, … Porno Darsteller wahrscheinlich auch,… aber Horror-Porno-Darsteller sind so abgedreht, man weiß nicht ob man sich totlachen oder wimmernd irgendwo unter einem Tisch verkriechen soll. 
Tja, was hat dieser Herr Laser (er ist übrigens auch Deutscher), so filmisches geleistet? Nun, er hat bei einer Filmreihe mitgespielt, die so krank war, dass sie überall auf der ganzen Welt und wahrscheinlich auch im kompletten Universum auf dem Index steht. Nein, ich habe keinen dieser Filme gesehen. Und warum ich auch niemals das Bedürfnis haben werde dies zu tun, beschreibt eine nette Besucherin, die ihrer Freundin kurz vor dem Panel eine kleine, pfälzische Inhaltsangabe des Filmes zusammenfasst: 
„Des isch der Dieter Laser. Des isch der wo so en verrückten Arzt g‘spielt hätt, der Menschen entführt und die mit den Mund an den Arsch von en annern Mensch dran nähen tut.“  
Leute, wenn man so etwas hört, helfen auch keine Bilder von süßen, kleinen Hundebabys mehr dieses Kopfkino zu vertreiben. 

Aber Herr Laser preist sein filmisches Machwerk mit solch einer Inbrunst und vor allen Dingen Normalität an (Zitat: „Also meine Kollegin hat eine Bewusstlose gespielt und ich musste sie ficken. Und als ich so auf ihr drauf liege denke ich mir, aus dieser Sequenz werde ich eine wundervoll romantische Szene machen.“), dass das Publikum nicht anders kann als sich vor Lachen den Bauch zu halten… oder schreiend weg zu rennen. Wir halten durch, aber auch nur, weil wir ohnehin die Hälfte des Panels verpasst haben. 

Voll Laser wie du abgehst! 

Wir beschließen uns der Hardcore Seite der Convention etwas zu entziehen und begeben uns auf Autogrammjagt. Mein Mann stellt sich an den Tisch von Schauspieler Michael Madsen, einer Quentin Tarantino Legende ("Kill Bill", "Reservoir Dogs"). Madsens Stimme klingt so als hätte er sich gerade eben noch zwanzig Zigaretten und einen Frühstückswhiskey reingezogen. Leider vermasselt mein Outfit meinem Ehemann eine vernünftige Unterhaltung mit dem Schauspieler, denn der ist immer wieder abgelenkt von der blutüberströmten Kellnerin hinter dem Autogrammjäger. Schließlich bittet er mich zu sich heran und sagt, dass er meine Pupillen besonders abgefahren findet. 
„They are weird and sexy at the same time“ („Sie sehen gleichzeitig seltsam und sexy aus“) sagt er und ich fühle mich ein bisschen geschmeichelt. 

Sexy und Weird ... wer ist wer?


Michael Madsen und Brad Dourif

Neben Madsen sitzt William Baldwin… also einer der ungefähr 3768 Brüder, die ich allesamt nicht auseinander halten kann. Der hier hat auf jeden Fall in „Sliver“ mit Sharon Stone mitgespielt. Nur einen Schritt weiter unterschreibt Brad Douriv (Grimma Schlangenzunge aus „Herr der Ringe“, sowie die Stimme von „Chucky die Mörderpuppe“) Fotos und wiederum daneben unterhält sich David Warner ("Das Omen", "Star Trek", "Doctor Who" etc…) mit einem Fan. 
Etwas abseits sitzt aufgrund des großen Andrangs Tobin Bell. Er hat den Jigsaw aus der bekannten „SAW“ Filmreihe gespielt. Weitere Gäste sind u.A. Tony Todd ("Candymans Fluch") oder Irone Singleton (T-Dog aus "The Walking dead"), sowie diverse Manga-Splatter-Porno-wasweißich-ichwillsmirnichtvorstellen Darstellerinnen. 

Tobin Bell "SAW"

T-Dog von "The walking dead"

Mein Interesse gilt aber zwei weiteren Gästen mit denen ich auch ein Foto mache. Der erste ist Corey Feldman, ein Ex Kinderstar der 80er Jahre, dem wir Mädchen hinterher geschmachtet haben, als wir noch gar nicht wussten was Schmachten eigentlich ist. Er hat u. A. mitgespielt in "Die Goonies", "Stand by me" und "The Lost Boys". 
Leider zieht dieser kleine Mann, der sich erstaunlich gut gehalten hat, eine Tragik hinter sich her, die auch seine äußere Erscheinung (schwarze Sonnenbrille, schwarze Kapuze) wiederspiegelt. Die Kinderstars der 80er sind leider nicht besser weggekommen, als die der Neuzeit. Nur damals hat sich niemand für diese Thematik interessiert. Dies hatte auch zur Folge, dass diverse Filmpartner aus Feldmans Riege heute leider nicht mehr unter uns weilen. Wenn ich Namen wie River Phoenix, Corey Haim oder Jonathan Brandis aufzähle, dann wissen wir alle was mit denen passiert ist. Feldman hat die Zeit mit Narben überstanden und im Panel erzählt er offen darüber, dass er aktuell an einer Dokumentation über diese Zeit arbeitet, die noch einmal darauf hinweisen soll, dass die exzessive Vermarktung von Kinderstars niemals gut endet. Aber ob die Filmindustrie jemals aus diesen Fehlern lernen wird…? 

Corey Feldman und eine komische Kellnerin

Ganz im Gegensatz zu dieser tragischen Geschichte strahlt die positive Energie von Schauspielerin Amanda Bearse durch den kompletten Saal. Sie ist offen, herzlich, lustig, fast immer präsent und verschwindet nicht einmal in einer Pause. 
Wer Amanda Bearse ist? 
Nun, auf dem Weekend of Horrors ist sie, da sie im Film „Fright Night“ mitgespielt hat. Aber wir kennen sie eher als die Emanzen Nachbarin Marcy Darcy aus „Eine schrecklich nette Familie“. Ich muss gestehen, für einen Moment bin ich schon etwas ehrfürchtig als ich vor ihr stehe. Diese Serie läuft heute noch in der x-ten Wiederholung im deutschen TV und der Humor ist immer noch aktuell. Ich kann es immer und immer wieder sehen und muss mich dennoch jedes Mal kaputt lachen. Als sie von den Dreharbeiten mit Christina Applegate, Katey Segal, David Faustino und Ed O’Neill erzählt erwacht in mir an diesem Tag endlich wieder das Fangirl. DAS ist einfach nur Kult! 

Coole Frau und dicker Zombie

Amanda Bearse "Eine schrecklich nette Familie"

Einen Cosplay Contest gibt es an dem Tag übrigens auch, sehr schön moderiert von Frank und Kes vonPuch. Leider gibt es nur sehr wenig Teilnehmer, aber der Zuschauerraum ist brechend voll als diese im Rampenlicht der Bühne stehen. Es ist schön zu sehen, dass auch das Publikum einer Horror Convention den Cosplayern so positiv gegenüber steht. 
Gewinner des Wettbewerbs ist eine kleine "The walking dead" Fangruppe mit einer atemberaubend coolen, 8 jährigen „Michonne“, die ihren Papa als Zombie an der Leine hinter sich herführt. Ihre Oma versichert mir später, dass die Kleine die Serie natürlich noch nicht sehen darf. Ob ein 8 jähriges Kind auf solch einer Veranstaltung aber richtig aufgehoben ist, ist allerdings eine andere Sache. Ich stehe dem doch sehr skeptisch gegenüber. Natürlich sieht sie so, dass hinter den gruseligen Masken alles nette, normale Menschen stecken, aber in so einem kleinen Köpfchen wachsen ja dennoch manchmal ein paar Gedanken heran, die wir Erwachsenen uns gar nicht mehr vorstellen können. Ich selber würde daher eher dafür plädieren, dass auf solch eine Veranstaltung nur Gäste ab 18 Jahren gelassen werden. 

Mini Michonne und Ash aus der Haushaltswarenabteilung
Als sich das Tageslicht sich in Form eines blutroten Sonnenunterganges verabschiedet, machen auch wir uns auf den Heimweg. Zu Hause angekommen schaffe ich es tatsächlich die Linsen zu entfernen ohne dabei zu erblinden. Allerdings merke ich auch, dass es eine äußerst dumme Idee war den „künstlichen Schorf“ mit Hilfe von Flüssiglatex und roter Farbe zu imitieren. Das Zeug geht nur nach einem Extrempeeling wieder ab, was zur Folge hat, dass ich die kommende Woche erst mal keinen Schorf mehr künstlich erschaffen muss. Aua! 
In diesem Sinne!

Stay Professional!

Huibuh!


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