Sonntag, 25. Oktober 2015

Fangirls. Oder: Warum man Männer niemals mit zur Stage Door nehmen sollte

11.08.2015 Teil 3

„Bitte beachten Sie, dass Mr. Cumberbatch nach den Vorstellungen keine Stage Door machen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis“. So stand es noch vor einigen Tagen auf einem kleinen, laminierten Schild am Künstlereingang des Barbican. Der Hauptdarsteller des Bühnenstücks hatte zudem zuvor in diversen Talkshows darauf hingewiesen, dass es ihm sehr leid täte, aber es unmöglich wäre nach jeder Hamlet Vorstellung für einen Zeitraum von 3 Monaten jeden Tag zum Künstlereingang zu kommen, um Autogramme zu geben. 
Soweit der Plan. 
Die Realität machte dann aber bereits nach der dritten Aufführung eine 180° Kehrtwende. Nämlich an dem Tag, als Cumberbatch wie immer das Gelände durch die kleine, versteckte Glastür verlies und ein junges Mädchen hinter ihm her rief: „Benedict, ich habe heute Geburtstag und bin für das Stück extra aus Brasilien angereist.“ Ob es die Wahrheit oder einfach eine Notlüge des Fans war, man wird es wohl nie erfahren. Tatsache ist aber, dass auch Hollywood Stars ein weiches Herz haben und so kam es, dass Cumberbatch an diesem Tag eine Vollbremsung einlegte, zurück ging und dem Mädchen ein Autogramm gab. Und weil es ja dann den anderen, wartenden Fans gegenüber unfair gewesen wäre, bekamen diese eine Menge Autogramme und Selfies mit dazu. 

Vor der Vorstellung. Keiner da, außer laminierte Schilder.


Nur zwei Werktage später, verlasse ich zusammen mit den anderen Zuschauern die Hamlet Vorstellung. Ich lasse mich mit der Menge treiben und verarbeite innerlich immer noch dieses atemberaubende Theaterstück. Nachdem ich den Haupteingang verlassen habe, sehe ich zu meiner Rechten eine Menschentraube. Sie hat sich um den Künstlereingang geschart. Als ich näher trete erkenne ich, dass das ominöse Schild verschwunden ist. An seiner Stelle hängt jetzt ein Hinweis, dass man auf die Anwohner Rücksicht nehmen und nicht so laut sein solle. 
Moment mal! Nicht so laut, im Sinne von: „Oh mein Gott da kommt gleich ein Superstar aus der Tür, er wird nur einen Meter von mir entfernt stehen und deswegen kreische ich mir hysterisch die Seele aus dem Leib raus!“ ? 
Es beginnt zu regnen. Ich bin hundemüde, sollte eigentlich dringend zur U-Bahn gehen und endlich das Bett heimsuchen, welches bereits seit Stunden meinen Namen ruft. Aber die Traube am Seiteneingang ist relativ klein. Vermutlich glaubt keiner so recht, dass der Star des Abends tatsächlich aufkreuzen wird. 

NATÜRLICH gehe ich nicht zur U-Bahn, sondern beschließe mir das Treiben wenigstens aus gebührendem Abstand an zu sehen. 
Die erste Reihe vor dem Eingang ist durch ein paar Absperrgitter, wie man sie bei Konzerten benutzt, abgeschirmt. Dahinter stehen bereits drei Reihen von jungen Mädchen und jung gebliebenen Frauen. 
Weiter dahinter, im gebührenden Abstand warten die Ehemänner und Freunde der Damen. Im strömenden Regen sehen sie aus wie Hunde, die man vor die Tür geschickt hat. Einen ähnlichen Blick hatte mein Mann mal drauf, als er mich auf einer dreistündigen Shoppingtour begleiten musste. 
Er bedeutet ungefähr das: „Ich will nach Hauuuuuseeeee!“ 

Einzig neben mir hat sich ein junger Typ positioniert. Er steht dort zusammen mit seiner Freundin oder Schwester und macht sich bereits jetzt einen Spaß daraus seine Begleiterin permanent zu schocken. Sie ist leider einen ganzen Kopf kleiner und kann kaum etwas sehen, während er die beste Übersicht hat und alle zwei Minuten „Da ist er! Da ist er!“, ruft, woraufhin sie sofort zusammen zuckt und Geräusche von sich gibt, die klingen als hätte man einer winzigen Maus auf den Schwanz getreten. 
Ich gebe zu, ich hätte nie gedacht das ich das mal sagen würde, aber irgendwie fand ich das mehr niedlich als nervig. 
Als sich das erste Mal die Tür öffnet wird mir der Blick von einer Wand aus Smartphone Monitoren verwehrt. Hat natürlich auch einen Vorteil. Ein Blick auf die Bildschirme und ich bin hautnah am Geschehen. Das Gemurmel in der Menge wird lauter, die Maus neben mir fiepst wieder. Dennoch, Fehlalarm. Es war nur irgendein Mitarbeiter. 
Nur ein paar Minuten später geht es dann aber Knall auf  Fall. Ein Darsteller nach dem Anderen kommt aus der Tür und wird gebührend von der Menge gefeiert. 
Bei allem Respekt gegenüber einem Cumberbatch, darf man nämlich nicht vergessen, dass es sich hier um hochkarätige Schauspieler aus der Theater, TV und Filmwelt handelt, die hier mal eben heraus spazieren und sich auf ihr Fahrrad schwingen als wäre es das normalste auf der Welt. 
Gut, für sie ist es das auch, aber mir als Dorfkind fällt da dann doch immer wieder die Kinnlade herunter. Ja, die wohnen hier in London, die fahren hier Fahrrad, atmen Luft, fahren jetzt heim zu ihrer Familie und gehen dort wahrscheinlich zuerst mal eine Runde aufs Klo! Wer hätte das gedacht. 
Ciaran Hinds (bekannt u. A. aus Game of  Thrones), schreibt gemütlich Autogramme und macht Fotos mit den Fans. Matthew Steer, der den Rosencrantz spielt, klatscht jeden einzelnen in der ersten Reihe fröhlich ab und wandert dann gemütlich in Richtung U-Bahn. Und dann wird es doch zunehmend unruhig. Jeder fragt sich: Wird der Hauptdarsteller heute auch rauskommen und sein vor einigen Tagen gebrochenes Wort weiter durchziehen? 
Ich sehe nach hinten und warte auf die Hundertschaft, die ihn vermutlich abschirmen wird, sowie die komplette Stretch Limo Flotte, die den Darsteller anschließend nach Hause fährt. 
Nichts dergleichen passiert. Stattdessen geht auf einmal einfach die Tür auf und da steht er und winkt uns fröhlich entgegen. Ganz normal, ohne großes Zinnober. 
Die Handys gehen hoch, die Maus neben mir bekommt Atemprobleme, ihr Begleiter einen Lachkrampf. Wie gemein. 
Och kuck mal! Da isser ja!

Ich weiß, dass ich hier hinten keine Möglichkeit habe ein Autogramm oder Foto zu ergattern.Dennoch, für mich ist so was immer ein absolut unrealistischer Moment. Dieser Mann ist momentan einer der meistgefragtesten Schauspieler Hollywoods und zudem gerade frischgebackener Vater. Trotzdem bringt er es auch heute wieder nicht über das Herz seine Fans hier stehen zu lassen und wirft sich tapfer in die Menge. Ich bin überrascht, der Geräuschpegel hält sich sogar jetzt noch in Grenzen. Vermutlich weil jeder mitbekommen möchte was Cumberbatch da mit dem ein oder anderen Fan bespricht. 
Es sind nur kurze Gespräche. 
Ein freundliches „Hat dir mein Stück gefallen?“ oder „Ganz lieben Dank, dass du gekommen bist.“ 
Für mehr reicht die Zeit nicht, denn möglichst viele Fans sollen ein Autogramm erhalten. 
Inzwischen sind auch die Handys wieder herunter gesackt und so habe ich jetzt freien Blick auf „the Batch“. Er sieht aus als wäre er gerade erst aus der Dusche gesprungen. Kein Camouflage, der sonst im TV benutzt wird verdeckt seine Grübchen und die müden Schatten unter seinen Augen. Kleine Sommersprossen verraten, dass auch bei diesem Briten ein natürlicher Rotstich im Haupthaar vorhanden ist.  „Dä Jung es fussich“, wie man bei uns im Kölner Raum sagen würde. 
Die Menge lauscht gebannt was er erzählt, dann durchbricht Mausis Stimme auf einmal den Moment. Sie hat all ihren Mut zusammen genommen und piepst in Michael Jackson Manier ganz leise und doch für alle hörbar: „I love you!“ 
Die Wartenden brechen allesamt in sympathisierendes Gelächter aus und auch Cumberbatch kann sich das Grinsen nicht verkneifen. Irgendetwas sagt er auch, aber ich kann leider nicht verstehen was. Dummerweise bekommt Mausi davon nichts mit, sie ist zu klein. 



Nach einer Weile verabschiedet sich unser Star und geht winkend zurück ins Gebäude. Moment? Gibt es noch einen Ausgang? Oder pennt der jetzt hinter der Bühne? 
Während ich noch darüber sinniere löst sich die Menge langsam auf. Doch das Piepsen in meinem Ohr will einfach nicht verschwinden. Als ich mich zur Seite drehe verstehe ich warum. Der Begleiter von Mausi hat den denkwürdigen Augenblick auf seinem Smartphone verewigt und macht sich einen Spaß daraus die drei Worte „I love you!“ in Dauerschleife ab zu spielen. Es klingt als hätte ein schlechter Rapper Helium inhaliert. 

Leider etwas unscharf. Bezieht sich natürlich nicht auf die Person auf dem Bild!


Ich sehe, dass Ciaran Hinds tatsächlich noch da ist und mit ein paar Fans spricht. Er ist im Schatten des Hauptdarstellers auf einmal eine ganz normale Gestalt in Mitten der Menschen geworden. Ich beschließe nun aber endgültig den Heimweg an zu treten. 
Als ich am Haupteingang vorbei komme taumeln vor mir zwei beseelte Mädchen mitten über die Straße und begutachten die Fotos, die sie mit ihrem Smartphone geschossen haben. In diesem Moment schießt aus einer Seiteneinfahrt des Barbican eine schwarze Limousine. Ein geparkter Van versperrt dem Fahrer die Sicht. Ich sehe bereits einen Zusammenstoß vor meinem inneren Auge, doch im letzten Moment bemerkt der Fahrer die beiden Mädchen und legt eine Vollbremsung hin. Die beiden springen entsetzt zur Seite und bekommen gleich darauf einen zweiten Herzinfarkt als der Passagier auf der Rückbank sich kurz zu ihnen herüber beugt und fragt ob alles ok ist. Ich kann die Silhouette seines Kopfes erkennen und anhand der absolut perplexen Reaktion der Mädchen weiß ich, wer da hinten drin sitzt. Ein kurzes Winken, dann düst die Limousine davon. Den beiden Mädchen wird erst jetzt bewusst was da gerade passiert ist und sie umarmen sich kreischend. Ganz sicherlich aber nicht, weil sie gerade einem beinahe Unfall entgangen sind. Von Benedict Cumberbatch (bzw. seinem Chauffeur) fast überfahren werden, das passiert einem auch nicht alle Tage. 
Hinter mir ertönt ein fiependes „I love you“. Ja, definitiv Zeit ins Hotel zu fahren. 

Der nächste Tag in London ist mal vollkommen Star frei. Was ich erlebt habe, das erfahrt ihr im nächsten Eintrag.  

Stay Professional

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