Freitag, 3. November 2023

Und du lachst

 Poetry Slam Text von Kristina Sommer

Und da stehst du nun und schenkst mir diesen Blick.

Und du lachst,

weil ich meine Freizeit dafür opfere Kostüme zu schneidern. Tage und Wochen voll Arbeit und Kosten, anstatt etwas Vernünftiges zu machen, so wie es jeder normale Mensch tut.

Du sagst: „Treib doch mal Sport oder besuch einen Kochkurs.“

 

Du lachst,

weil ich diese Kostüme zudem auch noch anziehe. Fernab von genormten Festlichkeiten an denen man als Erwachsener Verkleidung tragen darf.

„Du bist doch kein Kind mehr“, sagst du und schüttelst den Kopf.

 

Und du lachst,

über mich und meine Faulheit, da ich andauernd vor der Glotze sitze und mir Filme anschaue.

„Kein Wunder, dass du keine Freunde hast“, sagst du und greifst dir an den Kopf.

 

Du lachst,

weil diese Serien und Filme illusorisch und kitschig sind. Weil Zeitreisende nicht existieren und zu viel Fantasy einem den Blick auf die Realität dort draußen vernebelt.

„Du lebst doch in deiner eigenen Welt“, erklärst du mir.

 

Und du lachst,

weil ich meinen Kopf viel zu oft in Bücher stecke deren Titelbilder Drachenköpfe oder Raumschiffe zieren. Weil ich sie hüte wie meinen Augapfel und manchmal sogar mehrfach lese.

„Wenn du so weiter machst, wirst du irgendwann glauben, dass so was wirklich gibt!“

 

Du lachst,

weil ich Conventions besuche, Veranstaltungen wo diese ganzen Spinner hingehen, die niemand in unserer Gesellschaft mehr ernst nimmt.

„Was soll denn dein Chef davon halten, wenn er herausfindet wo du dich rumtreibst?“

 

Du lachst,

weil ich ein halbes Vermögen in Autogramme oder Fotos investiere, von Stars aus Serien, die doch kein normaler Mensch kennt.

„Das Geld könntest du doch wirklich für sinnvollere Dinge ausgeben.“

 

Und du lachst,

über meine Kleidung. Dominiert von bedruckten T-Shirts, die kundgeben wofür ich brenne. Simpel und doch gleichzeitig ein Dorn im Auge des Mainstreams.

„Mach dich doch mal hübsch und geh lieber mal aus anstatt immer so blass herum zu laufen. Das ist einfach traurig.“

 

Traurig…?

 

Ich sehe dich an…

Und ich lächle:

Weil ich mit meinen Händen Kostüme erschaffe, die so viel besser aussehen als die Polyesterware im Karnevalsladen. Weil sie mich stolz machen und mir zeigen, zu was ich fähig bin.

 

Ich lächle,

weil diese Kostüme mitunter viel zu schade sind, um sie von Wildfremden am 11.11. vollkotzen zu lassen.

Weil sie mir eine andere Identität geben und dennoch allen zeigen wer ich bin.

 

Und ich lächle,

weil mir die bittere Realität auf dieser Welt so verdammt bewusst ist, dass ich es an manchen Tagen kaum noch aushalte und kurz abtauchen muss. Nur weil man sich hin und wieder zurückzieht bedeutet das nicht, dass man nicht weiß was vor der Haustür stattfindet.

 

Ich lächle,

weil fantastische Literatur mir so viel mehr gibt.

Für Bücher über High Performance und Management Targets, verkaufen wir unsere Seele und erwarten dennoch ein gefülltes Portemonnaie.

Dabei sind es Sätze wie: „Selbst der Kleinste vermag den Lauf des Schicksals zu verändern“, die vermitteln was wirklich wichtig ist.

Aber nicht nur Tolkien hat mit seinen Worten recht. Auch ein berühmter Wissenschaftler sagte einst:

 „Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt“

Bedenke: Die Tagträumer von heute sind vielleicht die Albert Einsteins von morgen.

 

Und ich lächle,

-       Weil Conventions keine FreakShows sind, wie uns die Boulevardmagazine weismachen wollen.

-          weil ich einst alleine eincheckte und mit so vielen wunderbaren, neuen Freunden wieder nach Hause fuhr.

-          weil ich an einem einzigen Wochenende mehr Menschlichkeit verspüre als in einem ganzen Jahr.

-          weil ich hier immer wieder erlebe, wie die, die selbst ein Päckchen zu tragen haben, auch noch das des Nebenmanns schultern. Ohne etwas zu fordern, einfach weil es das Normalste auf der Welt ist.

Aber die Welt sagt, wir sind nicht normal…?

 

Ich lächle,

weil ich mein Geld nicht in protzige Autos oder seelenlose Gegenstände investiere, sondern in besondere Erlebnisse und Momente.

Es ist mir egal ob es nur Sekunden waren. Die Erinnerung an Benedict Cumberbatchs Hand auf meiner Schulter wird ein Leben lang überdauern.

 

Ich lächle,

weil ich so bin wie ich bin und mein wahres Gesicht nicht hinter Rouge und künstlichen Wimpern verstecke.

Weil sich niemand in einem schicken Club vorstellen kann, wie viele Glückshormone einer Party auf der Con ausgeschüttet werden. Und Heidewitzka, ohne Pumps und Minirock lässt es sich so viel ausgelassener tanzen.

 

Und ich lächle,

weil mich all das so wahnsinnig glücklich macht.

Weil es mir so viel mehr Lebenserfahrung gegeben hat als graue Schulhofmauern.

Weil das schüchterne Mädchen, das sich damals noch nicht einmal getraut hat im Restaurant nach der Toilette zu fragen, nun hier auf er Bühne steht und diesen Text vorliest.

 

Ich lächle,

und reiche dir die Hand.

Und ich lade dich ein. Auf einen kleinen Ausflug in mein Leben.

Du wirst sehen, es ist gar nicht so schlimm.

 


Da war ich wohl auch auf einer so genannten Convention. :-) 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen