Montag, 31. August 2020

Corona Tag X+173: Rattenschwänze wedeln nicht vor Freude

31.08.2020

 „Ach, da machen wir vorsichtshalber einfach mal nen Corona Test. Kann nicht schaden“, sagte der Arzt und wusste nicht was er damit auslöste. Aber vielleicht fange ich einfach mal von vorne an.

Tag 1: 
Mutti ist stolz wie Oskar. Der Sohnemann hat die seine zweite Kita-Eingewöhnungsphase erfolgreich gemeistert. Während andere Kinder ihren Eltern hinterher weinen, kann mein Zögling es kaum erwarten, dass Mutti endlich den Raum verlässt. Ich überlege immer noch, was mir dieses Verhalten zeigen will. Hab ich nu alles richtig oder alles falsch gemacht in der Erziehung?  

Tag 2: 
„Am Anfang bringen die aus der Kita alles Kroppzeuch mit, wat de dir vorstellen kannst“, so beschrieb es einst die Nachbarin. Aber dass das sooo schnell passiert, hätte ich auch nicht gedacht. Die schlaflose Nacht wird begleitet von der Rotznase und gelegentlichen Fieberattacken des Zweijährigen. Bei Kleinkindern nichts Ungewöhnliches. 

Tag 3: 
Der Sohnemann fiebert noch ein bisschen und aus der Nase des Zöglings fließt der halbe Rhein (Aber von damals, in den 70ern. Als er noch grün und voller toter Fische war). Gegen Abend ist der junge Mann bereits auf dem Weg der Besserung.

Tag 4: 
Der Ehemann kommt mir am Morgen mit der Gesichtsfarbe eines Mozzarella Käses, sowie rot unterlaufenen Derrick Augen entgegen. 
„Ich glaub der hat mich angesteckt!“, sagt er und deutet auf das 90cm große Virenmonster mit dem Titel Sohn. 
Da auch der Ehemann leichtes Fieber hat und eine Krankmeldung braucht, geht’s für ihn ab zum Arzt. Dort werden die oben genannten Worte gesprochen. Zack, Wattestäbchen bis in den Magen eingeführt (ok, Scherz. Der Ehemann sagt es war gar nicht so schlimm) und ab nach Hause ins Bett. 
Auch den Sohnemann behalte ich vorsichtshalber weiterhin zu Hause, obwohl es dem schon merklich besser geht. Ist natürlich sehr unglücklich, grad am Anfang der Kita Eingewöhnung, aber was willste machen. 

Tag 5: 
Da wir kein konkreter Corona Verdachtsfall (aufgrund fehlender Kontakte zu bestätigten Corona Fällen oder Ähnlichem) sind, müssten wir EIGENTLICH nicht zu Hause bleiben. Dennoch rufe ich am Morgen in der Kita an und schildere die Situation. 
Man ist sichtlich erleichtert über unsere Offenheit, und auch die Bereitschaft das Kind so lange zu Hause zu behalten, bis das Testergebnis da ist. Vielleicht liegt es ja heute Nachmittag schon vor... 
Liegt es natürlich nicht.

Tag 6: 
Während ich die Kita Tasche für den Sohnemann packe, hängt der Ehemann in der Warteschleife der Arztpraxis. 
Dann die ernüchternde Aussage. „Computer sagt nein! Testergebnis liegt nicht vor!“ 
Ich packe die Kita Sachen wieder aus und bespaße das inzwischen wieder Mops-muntere Kind mit Knete. 
Wir sollen gegen Mittag noch einmal in der Praxis anrufen. Machen wir auch. Nur um dort, bereits 20 Minuten vor Feierabend, vom AB abgefangen zu werden. „Computer sagt nein! Sie rufen außerhalb unserer Geschäftszeiten an. Wir sind morgen wieder für sie da!“

Wer allerdings noch zu erreichen ist, ist der Hautarzt bei dem ich morgen eigentlich einen ambulanten OP Termin hätte. Ein paar unerfreulich aussehende Muttermale müssen weg. Meine Hoffnung wird schnell zertreten wie ein Zigarettenstummel. Ich bin zwar nicht offiziell in Quarantäne, aber die OP darf gemäß Praxis interner Anweisung in diesem Fall nicht durchgeführt werden. Ich bekomme einen neuen Termin. Dauert noch was. Wenn das so weiter geht werde ich vermutlich nicht an Corona erkranken, sondern an Hautkrebs.


Tag 7: 
Ich werfe die Kita Tasche des Kindes in die Ecke. 
Natürlich auch heute Morgen: KEIN TESTERGEBNIS! 
Ob der Test vielleicht verloren gegangen ist? Niemand vermag es zu sagen. Große Fragezeichen sowohl vor, hinter als auch in der Telefonleitung. 
Zur Sicherheit nochmal Nachfrage beim Gesundheitsamt, ob man das Kind nicht vielleicht doch… „Nein! Machen Sie es besser nicht! Wenn der Test nachher doch positiv ist und es kommt raus, dass sie das Kind trotzdem in die Kita geschickt haben…“ , die Dame vom Amt braucht den Satz gar nicht erst zu ende sprechen. Sie hat natürlich vollkommen recht. 
Wenn das hier in der Kleinstadt passieren würde, man würde mich nackt, geteert und gefedert über den Marktplatz schleifen. Und den Rest würde dann mein schlechtes Gewissen erledigen. Also weiter abwarten. 

Tag 8: 
Kein Testergebnis am Morgen. 
Mit zwei nörgelnden Männern an der Backe drehe ich langsam durch. 
Schreibe einen Hilferuf ans Fenster zur Straße: „Send beer and chocolate!“
Aber niemand reagiert. 
Vielleicht liegt es daran, dass die Fingerfarbe von draußen nur in Spiegelschrift zu lesen ist. Ich bin ein Idiot. 
Ein letzter verzweifelter Anruf am Mittag in der Arztpraxis. Nichts! Und nu is ja auch erst mal Wochenende. 
Ich setze ein paar Textnachrichten an Freunde ab, die aus anderen Gründen vor 1 bzw. 2 Tagen auch getestet wurden. Ihre Ergebnisse liegen bereits vor. Ich zerbeiße vor Wut mein Handy. 

Erkenntnis des Tages nach diversen Gesprächen: Wenn man über das Gesundheitsamt DIREKT testen lässt, dann geht es mit dem Ergebnis meistens viel schneller als über die Arztpraxen. Dort kann es aufgrund von Engpässen momentan locker eine Woche dauern. WARUM sagt einem das niemand vorher?

Tag 9: 
Nix Neues, weil: "Hoch die Hände, Wochenende"... nicht. 

Tag 10: 
Immer noch Wochenende. Der Sohnemann ist mittlerweile Topfit. Der Ehemann weiter auf dem Weg der Besserung.

Tag 11: 
Die Kita Ausrüstung steht in den Startlöchern. Anruf in der Früh beim Arzt. Und dann, endlich das lang ersehnte, wenn auch erschreckende Ergebnis ist da: Es war kein Corona, sondern die MÄNNERGRIPPE!!!


Leute, ihr glaubt gar nicht wie froh ich bin, dass diese Odyssee vorbei ist. 
Diese Warterei, dieses Hickhack mit den Anrufen, die Tatsache, dass mein Sohnemann voll aus der Kita Einführungsphase raus gerissen wurde, ich meinen wichtigen Arzttermin verschieben musste, das kann es einfach nicht sein. 
Ganz ehrlich, wer mich kennt, der weiss, dass ich das Thema Corona ernst nehme, dass ich mich (vielleicht sogar einen Ticken zu viel) an alle Regeln halte, dass ich es gut finde, wenn getestet wird. Aber was uns da widerfahren ist, geht auf keine Kuhhaut. 
Wie man das lösen kann? Schwer zu sagen. 
Vielleicht sollte man „akute Fälle“ wie unsere, priorisieren gegenüber Reiserückkehrern? (Denn mal ehrlich, nicht jeder wäre so brav zu Hause geblieben wie wir es gemacht haben. Was wäre gewesen, wenn das Ergebnis dann Positiv gewesen wäre?) 
Oder zumindest eine klare Anweisung an die Labore: Sofortiger Annahmestopp, wenn abzusehen ist, dass die Kapa nicht ausreicht das Testergebnis innerhalb von allerspätestens 36 Stunden vorzulegen. Die überzähligen Tests müssten dann an andere Labore weitergegeben werden (denn anscheinend gabs ja IRGENDWO doch genug Kapa, denn andere Tests kamen ja innerhalb von 1-2 Tagen). 

Wie auch immer. Trotz allem Ärgernis: Wenn jetzt irgendwelche Verschwörungsschwurbler, Reichsbürger oder Nazis auf die Idee kommen diesen Text hier zu missbrauchen, weil wir hier alle angeblich durch Echsenmenschen manipuliert und klein gehalten werden sollen: AM ARSCH! 
Der Text darf SEHR GERNE geteilt werden als leichte Feierabendlektüre oder Paradebeispiel, wie es nicht laufen sollte UND als Hinweis, dass hier dringend was in den Abläufen verbessert werden muss. Aber alle anderen Hetzer nehmen bitte davon Abstand.

In diesem Sinne: Bleibt gesund und wenn ihr doch mal am Stäbchen lecken müsst, lasst es euch am besten direkt vom Gesundheitsamt machen (Wer hier Zweideutigkeit liest ist ein Ferkel).




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