Montag, 22. August 2016

Amphi Festival 2016 (Teil 2). Oder: Warum das Beste immer zum Schluss kommt


23.07.2016  Tag 2



Dieser Moment, wenn du auf ein Festival gehst, Rammstein auf der Bühne stehen und du dich verwundert fragst seit wann Frontmann Till Lindemann eine Plauzte hat.
Doch dann verstehst du endlich, dass die Band „Stahlzeit“ so gut covert, dass du den Unterschied zum Original erst gar nicht bemerkt hast.
Aber ganz ehrlich, wenn da tatsächlich Rammstein auf der Bühne gestanden hätten, wäre der kleine Tanzbrunnen nach den ersten 3 Minuten in die Luft geflogen. Doch auch bei Stahlzeit züngeln die Flammen mitunter gefährlich nah an die Bühnendecke.
Aber es gibt keine gerösteten Goths am Spieß und so können nach der Umbaupause Mono Inc. die Bühne betreten.
Während ich dort so gemütlich stehe, erlebe ich zwei kuriose Begegnungen.

 


Da steht plötzlich eine zierliche Frau mit langen, schwarzen Haaren. Ich traue meinen Augen kaum, handelt es sich bei der Dame um niemand anderes als Tarja Turunen, ehemalige Frontfrau der Band Nightwish. Neben ihr ein hoch gewachsener Mann auf dessen Schulter ihr süßer Nachwuchs sitzt, der kleine Kopf mit riesigen Lärmschutzohren bedeckt.
Natürlich krame ich in diesem Moment nicht die Kamera heraus und halte drauf, sondern freue mich, dass die Sängerin von niemandem behelligt wird und einfach auch mal genießen kann.

Als ich weiter über das Gelände schlendere gerate ich aber plötzlich in eine ganz andere Situation. Eine Gruppe Männer steht fröhlich gelaunt beisammen. Einer löst sich aus der Truppe, kommt auf mich zu und drückt mir seine Kamera in die Hand. In gebrochenem Englisch mit osteuropäischem Akzent fragt er mich ob ich ein Foto von ihm machen könne.
Ich vermute, dass er und seine Kumpels ein Erinnerungsbild schießen wollen. Erst als ich durch den Sucher der Kamera blicke, kapiere ich was da vor mir passiert.
Da steht Alex Wesselsky, Sänger der Band Eisbrecher und vielen sicherlich bekannt als Autoexperte „Der Checker“ vom Testosteronkanal DMAX.
Ich würde sagen, so zufällig bin ich tatsächlich noch nie in eine solche Situation gestolpert. Wenn der Typ mich nicht angesprochen hätte, wäre ich an Wesselsky vorbei gelaufen… und ganz ehrlich, diesen Riesen kann man eigentlich nur seeehr schwer übersehen.
Wir flachsen ein bisschen miteinander und als ich ihm sage: „Jetzt müssen wir aber auch ein Foto zusammen machen.“ Antwortet er in seiner charmanten Art, die einer Moderation von Thomas Gottschalk in nichts nachsteht: „Junge Dame, müssen, müssen wir gar nix. Aber wir können gerne.“ Aaah ja.
Mit einem beherzten Griff an meine Hüfte postiert sich der 190 Meter große Hüne (ja, ich habe danach gegoogelt. Ich kann immer noch nicht glauben, dass es Websiten gibt auf denen man ausschließlich Körpergrößen der Stars erfragen kann)  hinter mir und die Erinnerung wird auf’s Handy gebannt.


Aber es gibt ja auch noch eine offizielle Autogrammstunde. Dort treffe ich auf Peter Heppner, der mich fragt ob ich auf mein Autogramm noch irgendwas Besonderes drauf haben möchte. Mir fällt natürlich auf diese Frage überhaupt nichts ein. Ich hätte ihn vielleicht nach dem Rezept seines Lieblingskuchens fragen sollen, stattdessen sage ich: „Kannst mir ja n Herzchen drauf malen.“ Er lacht, und zeichnet sofort was das Fangirl fordert.
Sympathischer Kerl.

Der Tag schreitet voran und nach dem Auftritt von Tarja Turunen steigt die Aufregung. Auch die Sängerin gibt Autogramme und ich fühle mich plötzlich wieder wie die 16-jährige die das allererste Mal Heavy Metal gepaart mit Operngesang gehört hat und seitdem nur noch eines im Sinn hatte: Selber Sängerin zu werden. Gut, mit der Oper hat es nicht ganz geklappt, mit dem Heavy Metal schon.

Als ich vor die zierliche Person trete sprudelt es förmlich aus mir heraus. Dass sie mein großes Vorbild ist, dass ich wegen ihr Sängerin geworden bin, dass ich dank meiner Bandsuche meinen Ehemann kennengelernt habe, dass ich selber Songtexte schreibe und und und.
Und währenddessen tut Tarja etwas, das ich nicht erwartet hätte. Sie legt den Stift beiseite, schaut mich an und hört mir konzentriert zu. Sie fragt nach was für Musik wir machen, nimmt sich richtig, richtig viel Zeit und dann steht sie auf und nimmt mich ganz fest in den Arm.
Wenn man mir vor 20 Jahren gesagt hätte, dass mir das mal passieren würde, ich wäre vollkommen durchgedreht.
Zum Glück bin ich aber keine 16 mehr und falle nicht in Ohnmacht, sondern gehe mit weichen Knien aber erhobenen Hauptes zurück aufs Festival Gelände.


Inzwischen hat der Headliner die Bühne betreten. „Blutengel“ (oder aber auch „Der Dieter Bohlen der Gothic Szene“ genannt) zieht mal wieder alle Register. Ich beobachte das Geschehen von hinten.
Ich glaube auf der Bühne führen sie gerade ein Theaterstück auf. Es geht um 3 Nonnen, die immer ganz viel beten. Und weil das Beten sooo anstrengend ist, wird denen dabei ganz heiß, weswegen sie sich bis auf die Unterwäsche ausziehen müssen. Ist ja auch ganz schön kräftezehrend diese Beterei. Daher rutscht einer Nonne anschließend auch noch der Becher mit dem Messwein aus der Hand und verteilt sich überall auf ihrem Körper. Ups! Ob die Flecken wieder rausgehen?
Ok. Ich gebe zu, das ist mir doch etwas zu viel Klischee auf einmal. Ich beschließe daher zur zweiten Bühne zu gehen und mir als Alternativprogramm bei „Front Line Assembly“ das Hirn aus dem Kopf zu dreschen.



Impressionen und Bands vom Samstag. Und ja... die Nonnen sind auch dabei (Aber ich sag euch nicht ab welcher Minute! Ätsch!):



24.07.2016  Tag 3

Den letzten Tag gehe ich ganz relaxt an. Das Wetter zeigt sich von seiner besten Seite und der Asphaltboden im Tanzbrunnen hat sich zu einer Grillplatte erhitzt. Ich ergattere einen der wenigen Schattenplätze und tanze zusammen mit den anderen Besuchern zu „Suicide Commando“ und „Covenant“. Eigentlich will ich mir auch noch den Headliner „The Editors“ ansehen, beschließe aber vorher noch einmal kurz beim Altmeister Joachim Witt vorbei zu schauen, dessen Auftritt parallel auf der zweiten Bühne stattfindet.
Nur ein bis zwei Songs ansehen, mal schauen wie es so ist.
So war der Plan. 
Und dann kommt es ganz anders...


Da steht dieser Herr, der zwischen jedem Song den größten Blödsinn quatscht („Ich war heute Morgen beim Arzt. Der sagt ich mach es nicht mehr lang, aber ich hab mir gedacht, den Abend heute zieh ich noch durch“)  und reißt mich vollkommen in seinen Bann.
Ich kenne kaum einen Song und doch bekomme ich von jedem eine Gänsehaut.
Die Texte beinhalten so viel Wahrheit, so viel Ironie, so viel Mut und offene Worte. Sie sprechen vom Meer, von Freiheit, von Grenzen die man sich selbst setzt, von Arroganz und Gier. Wahrheiten, die manchmal schmerzen.
Wenn ein Kapitän Schwandt singen könnte, er würde dort mit auf der Bühne stehen.
Und ich bleibe.
Nur noch einen Song… und noch einer… ach, den Song hier nehme ich auch noch mit.
Und dann spielt er „Die Flut“ und selbige breitet sich unaufhaltsam in meinen Augen aus. Für mich eines der epischsten, deutschen Lieder der letzten 20 Jahre.
Die Editors auf der Hauptbühne haben bereits ihr Konzert beendet und ich stehe immer noch hier bei einem Joachim Witt und hoffe dass er weiter spielt.
Und das tut er.
Mit dem berühmten „goldenen Reiter“ beendet er schließlich doch den Abend und ich bin um eine Erfahrung reicher.
Nicht alle Stars der neuen deutschen Welle sind auf die schiefe Bahn geraten und meinen ihren nackten Hintern im Dschungel Big Brother Camp in die Kamera halten zu müssen.
Ein Joachim Witt, live auf der Bühne definitiv empfehlenswert!
In diesem Sinne:
Stay professional!

Impressionen und Bands vom Sonntag:


Und Joachim Witt, nochmal als getrennter Zusammenschnitt, weil ich so fasziniert war. (Man entschuldige die manchmal etwas schlechte Videoqualität, aber wenn ich filme, dann immer von möglichst weit hinten damit ich keinem mit dem Handy vor der Nase herumfuchtel)

 
 



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