12.08.2015 (Teil 1)
In
diesem Kapitel geht es unter anderem um Handtaschen, und die Tatsache, dass ich
in Sachen „Preisverhandlungen“ eine absolute Niete bin.
Ich will es mal so
beschreiben: Würde man mich auf einen türkischen Basar schicken, ich wäre
vermutlich die einzige Person, die für ihren Einkauf letztendlich mehr bezahlt
als ursprünglich ausgezeichnet war.
Aber mehr dazu später.
Heute stehen
keinerlei Theaterbesuche an. Ich habe also einen ganz entspannten Tag und kann
mich einfach treiben lassen. Es zieht mich in den Stadtteil Camden, denn ob ihr
es glaubt oder nicht, das letzte Mal war ich vor 25 Jahren dort und das Einzige
an das sich mein marodes Gehirn erinnern kann, ist eine kilometerlange
Menschenschlange vor dem einzigen, verfügbaren Geldautomaten.
Wenn man in
London in der U-Bahn sitzt und die Passagiere aufmerksam beobachtet, dann sieht
man, dass in bestimmten Bezirken auch gewisses Klientel ein und aussteigt.
Da
sind die emsigen und schwitzenden Anzugträger, die sich in
Central London durch die gefliesten U-Bahn Stationen quetschen.
Im Bereich von
Big Ben übernehmen tausende Touristen mit Rucksack auf dem Rücken und
Fotoapparat um den Hals die Vorherrschaft.
Diese Touristen machen sich zwar
auch auf den Weg nach Camden, dennoch vermischen sie sich plötzlich mit jeder
Menge interessanter Individuen, die Camden ihre Heimat nennen.
Da ist der
tiefenentspannte Dreadlock Träger, der rothaarige Musiker mit Gitarrenkoffer, das zierliche Mädchen mit selbstgehäkeltem Rock und kleinen
Glöckchen auf den Schuhen, die ihre leichtfüßigen Schritte akustisch
untermahlen. Sie wirkt wie eine Öko Tinker Bell, nur ohne Flügel. Die könnte
sie bei dem Gedränge in der U-Bahn Station Camden Town allerdings auch gar
nicht ausbreiten.
Ich folge den skurrilen Gestalten, kann mich dem Strom nicht
mehr entziehen und werde plötzlich wie Alice im Wunderland durch ein dunkles
Röhrensystem geschleudert. Es gibt kein Zurück mehr, nur noch nach vorne.
Dann
sehe ich Licht am Ende des Tunnels und werde mitsamt der Menschen um mich herum,
wie eine Flutwelle auf die Straße gespült.
Es dauert einen Moment bis sich
meine Augen an das Tageslicht gewöhnt haben und als ich endlich wieder sehen
kann bin ich mir sicher: Ich bin in einer anderen Welt gelandet.
Die
Häuserfassaden der Läden links und rechts von mir, leuchten in knallbunten
Farben. Auf ihnen kleben wie überdimensionale
Kühlschrankmagnete, bunte Plastiken, die anzeigen, was es hier zu kaufen gibt. So
hängen zum Beispiel am Schuhladen, riesengroße Sneaker an der Fassade.
Hier
draußen entzerrt sich die Menschenmasse wieder und so lasse ich mich gemütlich
treiben und versuche meine Kinnlade unter Kontrolle zu halten, die sich
kindlich staunend immer wieder gen Erdboden verselbstständigt.
Gerade als sich
mein Gehirn wieder versucht in die Realität zu kämpfen stehen sie vor mir: Der
verrückte Hutmacher, Alice und ein weißes Kaninchen veranstalten auf der Straße
eine Teeparty.
So sehr ich mir die Augen auch reibe, sie verschwinden nicht.
Irgendwas muss heute Morgen in meinem Frühstück gewesen sein. Anders kann ich
mir das nicht erklären.
Na gut, letztendlich sind es einfach nur sehr
überzeugende Straßenkünstler mit denen man gegen einen kleinen Obolus ein paar
gelungene Fotos machen kann. Aber es ist schon ziemlich skurril, in Mitten von
Autos und Menschen eine liebevoll gedeckte Teetafel zu finden.
Teeparty in Mitten von London |
Mutti, mit Mikey Mouse stimmt was nicht... |
Ich ziehe
weiter, und biege am Camden Lock in eine hell gemauerte Markthalle ein.
Wenn es
einen Ort auf dieser Welt gibt an dem man sich an seltsamen, kitschigen,
niedlichen, selbstgemachten, kultigen, (hier weitere, beliebige Adjektive
einsetzen)… Dingen arm kaufen kann, dann hier.
Es gibt Uhren,
Frühstücksbretter, T-Shirts, Kalender, Bilderrahmen, Ringe, Anhänger,
aufblasbare Tiere, Sonnenbrillen, Straßenschilder, Kugelschreiber,
Schallplatten, Stühle, Lampen, Tische, Hund, Katze, Maus, Pferd… Meine Sinne
sind spätestens jetzt vollkommen überfordert und verfallen in einen Farbrausch
ähnlich der Schlusssequenz aus Stanley Kubriks 2001 Space Odyssey.
Entweder ich
bin bekifft oder mein Kopf kommt einfach nicht mehr mit.
Aber es fühlt sich
toll an!
Ich schwimme in einem Meer aus Farben, Gerüchen und Gesprächsfetzen, die
ich hier und da aufnehme. Und am liebsten würde ich ALLES kaufen.
Die Umstände
lassen mich zu einem alternativen Hippie mutieren und auf einmal möchte ich
unbedingt einen farbenfrohen Pullover mein Eigen nennen. Kostenpunkt 25 Pfund.
Ob man hier wohl auch handeln kann?
Ich gehe mutig zum Verkäufer, zeige auf die
Ware und frage mit klopfendem Herzen: „Can I have it for 18 Pounds?“ („Kann ich
den für 18 Pfund haben?)
Der Verkäufer sieht mich an, nickt und packt mir den
Pulli ohne Widerworte in eine Plastiktüte. Ich stehe da wie gelähmt.
Echt
jetzt?
So einfach ist das?
Hätte ich da etwa noch mehr rausholen können?
Ein
paar Ecken weiter lacht mich eine braun - weiß gepunktete Tasche an. Sie kostet
22 Pfund. Ich will auf 15 Pfund runter. Doch dieses Mal habe ich die Rechnung
nicht mit dem Händler gemacht.
(Ich schreibe den Dialog jetzt mal der
Einfachheit halber auf Deutsch)
Er:
„Nein, das geht nicht! Das ist allerbeste Ware.“
Ich:
„Ja aber der Stand dort hinten hatte die Tasche für 15 Pfund“ (Das ist
natürlich eine taktische Lüge. Habe die Tasche vorher nirgendwo gesehen)
Er:
„Aber dieses Material hier ist besonders hautfreundlich“ (Seine Hand fährt
durch das Innenfutter und ich habe das Gefühl bereits jetzt tanzen kleine
Funken auf seinen Fingern, ausgelöst durch das hautfreundliche Polyester)
Ich:
„Nein, das mache ich nicht. Dann gehe ich zu dem anderen Händler.“
Er:
„Ich glaube nicht, dass es die Tasche für 15 Pfund gibt. Sehen sie, die hier
hat sogar einen Tragegriff!“
Ich:
(Innerlich: Ach nee) „Äh… ja… schön… aber…“
Er:
„18 Pfund!“
Ich:
„Aber ich möchte doch nur…“
Er:
„18 Pfund!“
Ich:
„Ähm… aber… also… ne…“
Er:
„18 Pfund!“ Dabei hält er mir die Hand
hin.
Ich:
„Also… ich…“
Er:
„Deal?“
Ich:
„Asfggggffrfff…“
Er:
„Ok! Deal!“
Wir besiegeln den Kauf mit einem festen Händedruck, der durch einen statischen Stromschlag in meine Finger vervollständigt wird.
Hautfreundliches Polyester.
Sehr schön.
Ich
bin jetzt also Besitzerin einer neuen Tasche. Immerhin habe ich sie 4 Pfund
günstiger bekommen. Stolz nehme ich meinen Neuerwerb entgegen, verlasse den
Stand, biege um die Ecke und da hängt das Ebenbild meines gerade so hart
verhandelten Damenutensilienbeutels.
10 Pfund.
10 Pfund.
Daneben
weht ein farbenfroher Pullover im Wind.
12 Pfund.
12 Pfund.
Ich
hasse mich.
Wie
mein Tag in Camden weiter ging und wie eine dreiste Lüge zum Highlight meines
Tages wurde, das erfahrt ihr in meinem nächsten Blogeintrag.
Bis dahin:
Stay Professional!
Juhu... ich hab ne neue Tasche... Grrrrrmmmmmffffffgrrrrrmmmmmm..... |
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