Freitag, 3. November 2023

Und du lachst

 Poetry Slam Text von Kristina Sommer

Und da stehst du nun und schenkst mir diesen Blick.

Und du lachst,

weil ich meine Freizeit dafür opfere Kostüme zu schneidern. Tage und Wochen voll Arbeit und Kosten, anstatt etwas Vernünftiges zu machen, so wie es jeder normale Mensch tut.

Du sagst: „Treib doch mal Sport oder besuch einen Kochkurs.“

 

Du lachst,

weil ich diese Kostüme zudem auch noch anziehe. Fernab von genormten Festlichkeiten an denen man als Erwachsener Verkleidung tragen darf.

„Du bist doch kein Kind mehr“, sagst du und schüttelst den Kopf.

 

Und du lachst,

über mich und meine Faulheit, da ich andauernd vor der Glotze sitze und mir Filme anschaue.

„Kein Wunder, dass du keine Freunde hast“, sagst du und greifst dir an den Kopf.

 

Du lachst,

weil diese Serien und Filme illusorisch und kitschig sind. Weil Zeitreisende nicht existieren und zu viel Fantasy einem den Blick auf die Realität dort draußen vernebelt.

„Du lebst doch in deiner eigenen Welt“, erklärst du mir.

 

Und du lachst,

weil ich meinen Kopf viel zu oft in Bücher stecke deren Titelbilder Drachenköpfe oder Raumschiffe zieren. Weil ich sie hüte wie meinen Augapfel und manchmal sogar mehrfach lese.

„Wenn du so weiter machst, wirst du irgendwann glauben, dass so was wirklich gibt!“

 

Du lachst,

weil ich Conventions besuche, Veranstaltungen wo diese ganzen Spinner hingehen, die niemand in unserer Gesellschaft mehr ernst nimmt.

„Was soll denn dein Chef davon halten, wenn er herausfindet wo du dich rumtreibst?“

 

Du lachst,

weil ich ein halbes Vermögen in Autogramme oder Fotos investiere, von Stars aus Serien, die doch kein normaler Mensch kennt.

„Das Geld könntest du doch wirklich für sinnvollere Dinge ausgeben.“

 

Und du lachst,

über meine Kleidung. Dominiert von bedruckten T-Shirts, die kundgeben wofür ich brenne. Simpel und doch gleichzeitig ein Dorn im Auge des Mainstreams.

„Mach dich doch mal hübsch und geh lieber mal aus anstatt immer so blass herum zu laufen. Das ist einfach traurig.“

 

Traurig…?

 

Ich sehe dich an…

Und ich lächle:

Weil ich mit meinen Händen Kostüme erschaffe, die so viel besser aussehen als die Polyesterware im Karnevalsladen. Weil sie mich stolz machen und mir zeigen, zu was ich fähig bin.

 

Ich lächle,

weil diese Kostüme mitunter viel zu schade sind, um sie von Wildfremden am 11.11. vollkotzen zu lassen.

Weil sie mir eine andere Identität geben und dennoch allen zeigen wer ich bin.

 

Und ich lächle,

weil mir die bittere Realität auf dieser Welt so verdammt bewusst ist, dass ich es an manchen Tagen kaum noch aushalte und kurz abtauchen muss. Nur weil man sich hin und wieder zurückzieht bedeutet das nicht, dass man nicht weiß was vor der Haustür stattfindet.

 

Ich lächle,

weil fantastische Literatur mir so viel mehr gibt.

Für Bücher über High Performance und Management Targets, verkaufen wir unsere Seele und erwarten dennoch ein gefülltes Portemonnaie.

Dabei sind es Sätze wie: „Selbst der Kleinste vermag den Lauf des Schicksals zu verändern“, die vermitteln was wirklich wichtig ist.

Aber nicht nur Tolkien hat mit seinen Worten recht. Auch ein berühmter Wissenschaftler sagte einst:

 „Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt“

Bedenke: Die Tagträumer von heute sind vielleicht die Albert Einsteins von morgen.

 

Und ich lächle,

-       Weil Conventions keine FreakShows sind, wie uns die Boulevardmagazine weismachen wollen.

-          weil ich einst alleine eincheckte und mit so vielen wunderbaren, neuen Freunden wieder nach Hause fuhr.

-          weil ich an einem einzigen Wochenende mehr Menschlichkeit verspüre als in einem ganzen Jahr.

-          weil ich hier immer wieder erlebe, wie die, die selbst ein Päckchen zu tragen haben, auch noch das des Nebenmanns schultern. Ohne etwas zu fordern, einfach weil es das Normalste auf der Welt ist.

Aber die Welt sagt, wir sind nicht normal…?

 

Ich lächle,

weil ich mein Geld nicht in protzige Autos oder seelenlose Gegenstände investiere, sondern in besondere Erlebnisse und Momente.

Es ist mir egal ob es nur Sekunden waren. Die Erinnerung an Benedict Cumberbatchs Hand auf meiner Schulter wird ein Leben lang überdauern.

 

Ich lächle,

weil ich so bin wie ich bin und mein wahres Gesicht nicht hinter Rouge und künstlichen Wimpern verstecke.

Weil sich niemand in einem schicken Club vorstellen kann, wie viele Glückshormone einer Party auf der Con ausgeschüttet werden. Und Heidewitzka, ohne Pumps und Minirock lässt es sich so viel ausgelassener tanzen.

 

Und ich lächle,

weil mich all das so wahnsinnig glücklich macht.

Weil es mir so viel mehr Lebenserfahrung gegeben hat als graue Schulhofmauern.

Weil das schüchterne Mädchen, das sich damals noch nicht einmal getraut hat im Restaurant nach der Toilette zu fragen, nun hier auf er Bühne steht und diesen Text vorliest.

 

Ich lächle,

und reiche dir die Hand.

Und ich lade dich ein. Auf einen kleinen Ausflug in mein Leben.

Du wirst sehen, es ist gar nicht so schlimm.

 


Da war ich wohl auch auf einer so genannten Convention. :-) 

Donnerstag, 3. März 2022

Spenden: Gut gemeint ist nicht immer gleich gut gemacht

 Hallo Zusammen,

in den letzten zwei Tagen habe ich Sachspenden für die Ukraine sortiert. Und während dieser Arbeit kam mir das Bedürfnis, eine kleine Guideline zu erstellen, die helfen könnte beim Packen von Spenden bzw. bei der Unterstützung der Helfer, die eben jene Spenden sortieren.

In all den Jahren, in denen ich mich jetzt immer mal wieder bei Hilfsaktionen engagiere (sei es jetzt für die Ukraine, oder für das Ahrtal oder für die Kinderhilfe Siebenbürgen), passieren nämlich leider immer wieder die gleichen Dinge, die ich mit dieser Info zu vermeiden versuche. Denn im Grunde genommen wollen wir schließlich alle nur das Beste, nämlich den Hilfesuchenden helfen.

1.

Erkundigt euch immer genau welche Güter die entsprechende Hilfsaktion sammelt! Wenn die Aktion sich z.B. auf die Erstversorgung ankommender Flüchtlinge konzentriert, bringt es nichts dort Möbel oder Dekoartikel hin zu bringen. Die Organisation wird schlicht und ergreifend nicht wissen wo diese Möbel hingestellt/gelagert werden sollen

2.

Kommt nur zu den dort angegebenen Abgabezeiten vorbei und stellt bitte nicht einfach irgendwelche Dinge vor die Tür (es sei denn es ist ausdrücklich erwünscht!). Es ist schon oft vorgekommen, dass das Wetter über Nacht umgeschlagen ist und die Spenden am nächsten Tag komplett nassgeregnet und zerstört weggeworfen werden mussten.

3.

Wenn ihr Kleiderspenden abgebt, dann BITTE, BITTE nur sehr gut erhaltene, neuwertige Kleidung! Stellt euch vor ihr habt alles verloren und das Erste was man euch gibt, ist eine verfärbte oder ausgeleierte Hose. Es bedeutet keinesfalls, dass man undankbar ist, aber wenn ihr euch mal in eben genau diese Situation versetzt, dann ist diese abgenutzte Hose die letzte Würde, die man diesen Menschen in dem Moment nimmt.

Daher mein Tipp zum Thema Kleidung: Klasse statt Masse!

Vorab sei zudem gesagt, dass mittlerweile Massen von Kleidung auf den Weg zu den ukrainischen Flüchtlingen sind! So viel, dass inzwischen die Organisationen vor Ort die Hände heben und dringend darum bitten, erst mal keine weitere Kleidung zu sammeln. Hört bitte auf diese Aufrufe und haltet eure Kleiderspende erst einmal zurück, bis wieder Kapazitäten frei sind! Die entsprechenden Organisationen werden dazu wieder aufrufen. Die folgenden Tipps sollten aber grundsätzlich auch für andere Sammelaktionen oder Spenden an die Fundgrube oder Ökumene beherzigt werden.

Sortiert eure gesammelten Kleidungsstücke sorgfältig aus. Geht dann noch einmal in euch und sortiert dann noch einmal und anschließend am besten noch ein drittes Mal. Das was am Ende übrig bleibt, ist das, was tatsächlich noch wirklich gut ist! Ein Flüchtling oder ein verarmter Mensch in den rumänischen Slums hat keinen großen Kleiderschrank, den er mit verschiedensten Kleidungsstücken füllen kann. Es ist viel wichtiger, dass diese Menschen wenige, aber dafür qualitativ hochwertige Kleidungsstücke haben, die ab der Übergabe noch lange Zeit halten.

Den Karton, den ihr bereits vor einem Jahr liebevoll gepackt habt, und der seitdem auf dem Dachboden oder im Keller stand: Bitte öffnet ihn noch einmal, sortiert ein zweites Mal und vor allen Dingen: Wascht die Kleidungsstücke noch einmal! Ich habe es heute wieder einmal gemerkt, als außenstehende Person riecht man einfach sofort, ob die Anziehsachen längere Zeit irgendwo gelagert wurden. Das ist ganz normal und heißt nicht, dass diese Sachen dreckig sind! Dennoch gehen diese Kleidungsstücke ggf. direkt an Menschen, die nichts mehr besitzen. Schon gar keine Waschmaschine! Es wäre doch schön, wenn diese Menschen in frisch gewaschene Wäsche schlüpfen könnten, nicht in Keller-Muff.

Die meisten Schuhe kann man übrigens auch problemlos in der Waschmaschine waschen! Habe ich schon hundert Mal gemacht. Klappt (fast) immer. Und wenn ihr euch doch nicht sicher seid: Schrubbt bitte die Schuhsohlen zumindest sauber. Ich hatte heute sehr viele Paar Schuhe dabei, die aussahen als kämen sie gerade frisch von einer Querfeldein Wanderung. Diese dreckigen Schuhsolen beschmutzen leider auch andere, saubere Schuhe. 

Schuhe am besten immer direkt bündeln bzw. irgendwie zusammenbinden. Es kann immer mal passieren, dass beim Transport eine Tüte reißt und Schuhe herausfallen. Einzelne Schuhe irren dann irgendwo herum und finden ihren Partner nicht mehr.

ERGÄNZUNG: Kaputte oder ausgeleierte Kleidung gehört keinesfalls in die Mülltonne! Diese kann zB in die regulären Altkleidercontainer geworfen werden, wo sie ganzjährig von professionellen Sortierteams noch einmal durchgeschaut werden. Kaputte Sachen werden zB weiterverarbeitet und das Geld, das dadurch erwirtschaftet wird kommt wiederum dem entsprechenden Verein zugute! 

Spielsachen:

Bitte, bitte, bitte, reinigt das Spielzeug vorher ein bisschen. Auch diese Dinge gehen teilweise sofort an die Bedürftigen. Ein Kleinkind zu sehen, welches einen vollkommen verdreckten oder verstaubten Bagger in die Hand gedrückt bekommt, lässt mich erschaudern. Beim Reinigen könnt ihr dann auch direkt sehen, ob die Sachen noch funktionstüchtig sind. Auch hier gilt: Klasse statt Masse!

Grundsätzlich: 

Versucht so gut wie möglich bereits vor zu sortieren. So unterstützt ihr die Helfer vor Ort ungemein!

Sprich: z.B. Damenkleidung zusammen in eine Tüte/Kiste, Decken und Bettwäsche zusammen in eine eigene Tüte/Kiste, Hygieneartikel zusammen in eine eigene Tüte/Kiste etc…

Ich hatte heute diverse Kleidungsbeutel, in denen ich dann plötzlich zwischendrin eine einzelne Packung Spaghetti oder Feuchttücher o.Ä. gefunden habe. Nicht immer haben die Helfer sofort die Zeit und Möglichkeiten die Sachen umgehend vor zu sortieren. Manchmal stehen die Sachen noch eine Weile oder gehen sofort an entsprechend thematisierte Verteilerzentren.

Dort wo Essen ausgegeben wird nutzt es nichts, wenn plötzlich ein paar Unterhosen zwischen den Konservendosen auftauchen.

Apropos Unterwäsche: 

Insbesondere bei Erwachsenen gilt: Gebrauchte Unterwäsche ist ein No Go! Aus hygienischen Gründen kann und darf diese in den meisten Fällen nicht weitergegeben werden. Natürlich habt ihr keine fiesen Krankheiten im Intimbereich und natürlich habt ihr die Wäsche vorher entsprechend gereinigt, aber unter all diesen Spenden ist leider meist immer der eine Kleidersack, der eben leider nur dürftig gereinigt wurde. Dies kann halt niemand wissen.

Dennoch ist natürlich auch Unterwäsche wichtig. Wenn ihr damit helfen wollt, geht zum lokalen Geschäft und kauft neue Ware. Es muss nichts super teures sein. Hauptsache nicht gebraucht. 

Und wenn es dann so kommt, dass ihr alles liebevoll gepackt, gereinigt und sortiert habt, zu den angegebenen Zeiten zur Sammelstelle gekommen seid und dann plötzlich eine Absage bekommt, dass leider Annahmeschluss ist, weil einfach kein Platz mehr ist, dann seid bitte nicht böse und lasst vor allen Dingen euren Unmut darüber nicht an den Helfern aus. Natürlich habt ihr sehr viel Zeit in das Packen investiert und wollt helfen! Insbesondere in diesen Zeiten ist die Hilfsbereitschaft riesengroß und auch wir hatten plötzlich die Situation, dass unser LKW aus allen nähten platzte und wir nachkommende Spenden schweren Herzens ablehnen mussten. Wenn voll ist ist voll. Lagerplatz und auch Transporter kosten Geld, welches nicht immer mal eben verfügbar ist. Es ist niemandem geholfen, wenn überschüssige Ware unter freiem Himmel vor sich hin gammelt. Nehmt die Sachen wieder mit nach Hause und wartet auf die nächste Möglichkeit. Sie wird (leider) in Zeiten wie diesen kommen!

Generell sei aber gesagt:

Mit Geldspenden seid ihr IMMER auf der richtigen Seite!

Insbesondere jetzt bei der Ukraine als auch beim Thema Ahrtal gab es massenhaft Kleiderspenden. In der akuten Situation brauchen die Menschen aber erst einmal eine warme Decke, Hygieneartikel und vor allen Dingen etwas warmes zu Essen bzw. organisierten Transport zu einer geeigneten Unterkunft. Dies koordinieren die Hilfsorganisationen direkt vor Ort und können somit die Gelder gezielt einsetzen.

Im Falle der Ukraine wird das Geld z.B. auch für Benzin eingesetzt, um die Menschen per PKW zu ihren zukünftigen Unterkünften oder zu Verwandten zu bringen. Und ihr wisst selber, dass Benzin aktuell ein Luxusgut ist.

Sorry, dies war ein verdammt langer Text, aber er war mir in diesem Moment irgendwie sehr wichtig.

Bitte teilt diese Informationen gerne nochmal! Und dann legt los und helft wo und wie ihr könnt. Die Menschen und Tiere in Not werden es euch danken. Gemeinsam schaffen wir das!

 

Vielen Dank!

Sucht eine neue Mama oder Papa


Er

Donnerstag, 31. Dezember 2020

2020 - Ein Jahr mit dir


Ein Jahr voller Ungewissheit und Zukunftssorgen,

aber dafür ein Jahr, dass mich die Tugend der Geduld lehrte.

 

Ein Jahr ohne große Feste und Familienfeiern,

dafür ein Jahr voller entspannter Wochenenden ohne Hektik und Zeitdruck.

 

Ein Jahr ohne Umarmungen von vielen Freunden,

dafür ein Jahr voller Kuschelmomente mit dir.

 

Ein Jahr ohne Ich-Zeit,

dafür ein Jahr mit ganz viel WIR für uns zwei.

 

Ein Jahr ohne pompösen Urlaub,

dafür ein Jahr mit purem Genuss des Schlichten und dem Wertschätzen der simplen Dinge und Erlebnisse.

 

Ein Jahr ohne Rummel und große Veranstaltungen,

dafür ein Jahr voller Natur und back to the roots.

 

Ein Jahr voller Masken,

und gleichzeitig voller Möglichkeiten, einmal tief durchatmen zu können.

 

Ein Jahr ohne Konzerte und lautem Getöse,

dafür ein Jahr voller heilsamer Stille.

 

Ein Jahr voller Vermissen,

dafür ein Jahr voller Erkenntnis, wie sehr man jemanden mag.

 

Ein Jahr voller Abstand von Freunden,

dafür ein Jahr mit dem erblühen von wahren Freundschaften.

 

Ein Jahr mit ganz wenig Kinderbetreuung und ganz viel zu Haus,

dafür ein Jahr mit unendlich viel Zeit nur mit dir.

 

Ein Jahr voller intensiver Emotionen,

dafür ein Jahr, das zeigt wer man ist.

 

Ein Jahr voller dunkler Gedanken

und anschließendem Loslassen ins Licht.

 

Ein Jahr, das mir die intensivsten Momente mit dir beschert hat, die so nie stattgefunden hätten.

Du, der mir gezeigt hat wie einfach es doch sein kann.

 

Wie? Ja wie, könnte ich dieses Jahr jemals hassen?




Montag, 31. August 2020

Corona Tag X+173: Rattenschwänze wedeln nicht vor Freude

31.08.2020

 „Ach, da machen wir vorsichtshalber einfach mal nen Corona Test. Kann nicht schaden“, sagte der Arzt und wusste nicht was er damit auslöste. Aber vielleicht fange ich einfach mal von vorne an.

Tag 1: 
Mutti ist stolz wie Oskar. Der Sohnemann hat die seine zweite Kita-Eingewöhnungsphase erfolgreich gemeistert. Während andere Kinder ihren Eltern hinterher weinen, kann mein Zögling es kaum erwarten, dass Mutti endlich den Raum verlässt. Ich überlege immer noch, was mir dieses Verhalten zeigen will. Hab ich nu alles richtig oder alles falsch gemacht in der Erziehung?  

Tag 2: 
„Am Anfang bringen die aus der Kita alles Kroppzeuch mit, wat de dir vorstellen kannst“, so beschrieb es einst die Nachbarin. Aber dass das sooo schnell passiert, hätte ich auch nicht gedacht. Die schlaflose Nacht wird begleitet von der Rotznase und gelegentlichen Fieberattacken des Zweijährigen. Bei Kleinkindern nichts Ungewöhnliches. 

Tag 3: 
Der Sohnemann fiebert noch ein bisschen und aus der Nase des Zöglings fließt der halbe Rhein (Aber von damals, in den 70ern. Als er noch grün und voller toter Fische war). Gegen Abend ist der junge Mann bereits auf dem Weg der Besserung.

Tag 4: 
Der Ehemann kommt mir am Morgen mit der Gesichtsfarbe eines Mozzarella Käses, sowie rot unterlaufenen Derrick Augen entgegen. 
„Ich glaub der hat mich angesteckt!“, sagt er und deutet auf das 90cm große Virenmonster mit dem Titel Sohn. 
Da auch der Ehemann leichtes Fieber hat und eine Krankmeldung braucht, geht’s für ihn ab zum Arzt. Dort werden die oben genannten Worte gesprochen. Zack, Wattestäbchen bis in den Magen eingeführt (ok, Scherz. Der Ehemann sagt es war gar nicht so schlimm) und ab nach Hause ins Bett. 
Auch den Sohnemann behalte ich vorsichtshalber weiterhin zu Hause, obwohl es dem schon merklich besser geht. Ist natürlich sehr unglücklich, grad am Anfang der Kita Eingewöhnung, aber was willste machen. 

Tag 5: 
Da wir kein konkreter Corona Verdachtsfall (aufgrund fehlender Kontakte zu bestätigten Corona Fällen oder Ähnlichem) sind, müssten wir EIGENTLICH nicht zu Hause bleiben. Dennoch rufe ich am Morgen in der Kita an und schildere die Situation. 
Man ist sichtlich erleichtert über unsere Offenheit, und auch die Bereitschaft das Kind so lange zu Hause zu behalten, bis das Testergebnis da ist. Vielleicht liegt es ja heute Nachmittag schon vor... 
Liegt es natürlich nicht.

Tag 6: 
Während ich die Kita Tasche für den Sohnemann packe, hängt der Ehemann in der Warteschleife der Arztpraxis. 
Dann die ernüchternde Aussage. „Computer sagt nein! Testergebnis liegt nicht vor!“ 
Ich packe die Kita Sachen wieder aus und bespaße das inzwischen wieder Mops-muntere Kind mit Knete. 
Wir sollen gegen Mittag noch einmal in der Praxis anrufen. Machen wir auch. Nur um dort, bereits 20 Minuten vor Feierabend, vom AB abgefangen zu werden. „Computer sagt nein! Sie rufen außerhalb unserer Geschäftszeiten an. Wir sind morgen wieder für sie da!“

Wer allerdings noch zu erreichen ist, ist der Hautarzt bei dem ich morgen eigentlich einen ambulanten OP Termin hätte. Ein paar unerfreulich aussehende Muttermale müssen weg. Meine Hoffnung wird schnell zertreten wie ein Zigarettenstummel. Ich bin zwar nicht offiziell in Quarantäne, aber die OP darf gemäß Praxis interner Anweisung in diesem Fall nicht durchgeführt werden. Ich bekomme einen neuen Termin. Dauert noch was. Wenn das so weiter geht werde ich vermutlich nicht an Corona erkranken, sondern an Hautkrebs.


Tag 7: 
Ich werfe die Kita Tasche des Kindes in die Ecke. 
Natürlich auch heute Morgen: KEIN TESTERGEBNIS! 
Ob der Test vielleicht verloren gegangen ist? Niemand vermag es zu sagen. Große Fragezeichen sowohl vor, hinter als auch in der Telefonleitung. 
Zur Sicherheit nochmal Nachfrage beim Gesundheitsamt, ob man das Kind nicht vielleicht doch… „Nein! Machen Sie es besser nicht! Wenn der Test nachher doch positiv ist und es kommt raus, dass sie das Kind trotzdem in die Kita geschickt haben…“ , die Dame vom Amt braucht den Satz gar nicht erst zu ende sprechen. Sie hat natürlich vollkommen recht. 
Wenn das hier in der Kleinstadt passieren würde, man würde mich nackt, geteert und gefedert über den Marktplatz schleifen. Und den Rest würde dann mein schlechtes Gewissen erledigen. Also weiter abwarten. 

Tag 8: 
Kein Testergebnis am Morgen. 
Mit zwei nörgelnden Männern an der Backe drehe ich langsam durch. 
Schreibe einen Hilferuf ans Fenster zur Straße: „Send beer and chocolate!“
Aber niemand reagiert. 
Vielleicht liegt es daran, dass die Fingerfarbe von draußen nur in Spiegelschrift zu lesen ist. Ich bin ein Idiot. 
Ein letzter verzweifelter Anruf am Mittag in der Arztpraxis. Nichts! Und nu is ja auch erst mal Wochenende. 
Ich setze ein paar Textnachrichten an Freunde ab, die aus anderen Gründen vor 1 bzw. 2 Tagen auch getestet wurden. Ihre Ergebnisse liegen bereits vor. Ich zerbeiße vor Wut mein Handy. 

Erkenntnis des Tages nach diversen Gesprächen: Wenn man über das Gesundheitsamt DIREKT testen lässt, dann geht es mit dem Ergebnis meistens viel schneller als über die Arztpraxen. Dort kann es aufgrund von Engpässen momentan locker eine Woche dauern. WARUM sagt einem das niemand vorher?

Tag 9: 
Nix Neues, weil: "Hoch die Hände, Wochenende"... nicht. 

Tag 10: 
Immer noch Wochenende. Der Sohnemann ist mittlerweile Topfit. Der Ehemann weiter auf dem Weg der Besserung.

Tag 11: 
Die Kita Ausrüstung steht in den Startlöchern. Anruf in der Früh beim Arzt. Und dann, endlich das lang ersehnte, wenn auch erschreckende Ergebnis ist da: Es war kein Corona, sondern die MÄNNERGRIPPE!!!


Leute, ihr glaubt gar nicht wie froh ich bin, dass diese Odyssee vorbei ist. 
Diese Warterei, dieses Hickhack mit den Anrufen, die Tatsache, dass mein Sohnemann voll aus der Kita Einführungsphase raus gerissen wurde, ich meinen wichtigen Arzttermin verschieben musste, das kann es einfach nicht sein. 
Ganz ehrlich, wer mich kennt, der weiss, dass ich das Thema Corona ernst nehme, dass ich mich (vielleicht sogar einen Ticken zu viel) an alle Regeln halte, dass ich es gut finde, wenn getestet wird. Aber was uns da widerfahren ist, geht auf keine Kuhhaut. 
Wie man das lösen kann? Schwer zu sagen. 
Vielleicht sollte man „akute Fälle“ wie unsere, priorisieren gegenüber Reiserückkehrern? (Denn mal ehrlich, nicht jeder wäre so brav zu Hause geblieben wie wir es gemacht haben. Was wäre gewesen, wenn das Ergebnis dann Positiv gewesen wäre?) 
Oder zumindest eine klare Anweisung an die Labore: Sofortiger Annahmestopp, wenn abzusehen ist, dass die Kapa nicht ausreicht das Testergebnis innerhalb von allerspätestens 36 Stunden vorzulegen. Die überzähligen Tests müssten dann an andere Labore weitergegeben werden (denn anscheinend gabs ja IRGENDWO doch genug Kapa, denn andere Tests kamen ja innerhalb von 1-2 Tagen). 

Wie auch immer. Trotz allem Ärgernis: Wenn jetzt irgendwelche Verschwörungsschwurbler, Reichsbürger oder Nazis auf die Idee kommen diesen Text hier zu missbrauchen, weil wir hier alle angeblich durch Echsenmenschen manipuliert und klein gehalten werden sollen: AM ARSCH! 
Der Text darf SEHR GERNE geteilt werden als leichte Feierabendlektüre oder Paradebeispiel, wie es nicht laufen sollte UND als Hinweis, dass hier dringend was in den Abläufen verbessert werden muss. Aber alle anderen Hetzer nehmen bitte davon Abstand.

In diesem Sinne: Bleibt gesund und wenn ihr doch mal am Stäbchen lecken müsst, lasst es euch am besten direkt vom Gesundheitsamt machen (Wer hier Zweideutigkeit liest ist ein Ferkel).




Freitag, 7. August 2020

Corona Tag X+149: Alles verfi… Ar...krampen!!!


07.08.2020

So, nun da ich aufgrund der Überschrift eure Aufmerksamkeit habe, jetzt zu etwas vollkommen anderem. 

Nein, eigentlich gar nicht so anders. Eigentlich hat es genau damit zu tun.
 
„Derjenige, der zum ersten Mal an Stelle eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation“, so zitierte einst Sigmund Freud einen (mir) unbekannten, britischen Schriftsteller. 

Klingt logisch. Für die Zivilisation ist es tatsächlich von Vorteil, erst mal laut „Arschloch“ zu brüllen, wenn einem jemand das letzte Mettbrötchen vor der Nase wegfuttert. Weitaus besser, als demjenigen im Affekt einfach eins über die Rübe zu ziehen. 

Wer meinen Blog verfolgt, der weiß, dass ich mitunter sehr „zivilisiert“ agiere. 
Sprich: Was raus muss, muss raus! 
Insbesondere in meinem letzten Blogeintrag kam das sicherlich sehr gut zur Geltung. Und doch, nachdem ich die letzten Tage mal ganz tief in mich und in all die Stimmen um mich herum reingehorcht habe, bin ich mir nicht so sicher, ob wir aktuell nicht einen großen Schritt zurück machen in unserer Entwicklung. 
Was raus muss, muss raus und ich bin immer noch eine grosse Verfechterin davon, dass man Emotionen nicht unterdrücken sollte, nur weil es sich nicht gehört oder nicht schick ist. Aber das, was sich mittlerweile in der Welt breit macht ist kein einmaliges Entladen mehr, es ist ein nicht enden wollendes Gewitter und so langsam habe ich die Befürchtung, dass dieser Sturm bald die jetzige „Zivilisation“ mit einem fetten Blitzeinschlag beenden könnte. 
Puff! Päng! Scheiss die Wand an war dat laut! Ende Gelände! 
Und dann? 
Keine Ahnung. 

Tatsache ist: Noch ist es nicht soweit. Und daher rudere ich jetzt auch einfach mal ein bisschen zurück. Nein, Rektalfotografie als Reaktion darauf, dass jemand seine Maske nicht aufgesetzt hat, ist keine Lösung! (Immerhin habe ich mir das nur gedacht und nicht umgesetzt!) 
Und es ist definitiv auch keine Lösung, jeden, der sich irgendwie in einer Verschwörungstheorie verstrickt hat sofort als Idioten zu beschimpfen. 
Genauso wie es nicht ok ist, eine überzeugte Maskenträgerin wie mich, sofort als dummes Schlafschaf zu titulieren. 

Und warum ist das so? 

Nun, dazu mach ich jetzt mal nen kurzen Seelenstriptease. 
WARUM stehe ich so auf die aktuelle AHA Regel und WARUM habe ich so eine Wut auf auf die, die sagen es wäre doch alles gar nicht so schlimm. Ganz einfach! 
Weil ich Angst habe! 
So, nu ist die Katze aus dem Sack. Ja verdammt nochmal. Ich hab ne Scheißangst, dass dieses Drecksvirus mich oder irgendjemanden aus meiner Familie erwischt (und ich rede natürlich nicht über den milden Verlauf). Und da hilft es nun mal nicht, wenn mir irgendjemand via Facebook in 5 knappen Sätzen erklärt, dass ich keine Angst haben muss, mich gut ernähren und ein bisschen Sport treiben soll. So funktioniert es nicht! 

Ihr wollt noch ein Beispiel? 
Als Kind hatte ich wahnsinnige Angst vor lautem Knallen. Gewitter, Knallplättchen an Karneval und Feuerwerk zu Silvester waren für mich der pure Horror. Ich stand weinend in der Ecke und hielt mir die Ohren zu. Jemand kam auf mich zu und sagte mir: „Du brauchst doch keine Angst haben! Der Knall tut dir doch nichts!“ (Du brauchst keine Angst haben, Corona ist nicht gefährlich!) 
„Los, nimm mal die Hände von den Ohren!“ (Masken weg! Masken weg!). 

Ich weiss nicht, ob ich damit ein bisschen genauer darstellen kann, wie sich momentan viele Menschen fühlen. Ich finde es immer beeindruckend wie oft irgendwo gesagt wird: „Ich habe keine Angst vor dem Virus. Ich habe Respekt!“ 
Ist das wirklich so? Hört mal genau in euch hinein. Ist der ursprüngliche Keimling dieses immerwährend zitierten Respekts nicht doch irgendwie ein Korn aus Angst, das nur von vielen, weiteren Emotionen überwuchert wurde? 
Und warum verdrängt man diese Angst? 
Warum ist es nicht einfach ok Angst zu haben, und dies auch zu äußern? Vielleicht würde die Gegenseite dann auch ein bisschen besser verstehen, warum wir uns so verhalten, wie wir uns gerade verhalten. 
Und ja, natürlich kommt dann sofort das Argument „Wer Angst hat, der soll zu Hause bleiben!“. 
Ist so einfach daher gesagt. Ich für meinen Teil bin mir nämlich sicher, dass diese Welt ein verdammt einsamer Ort wird, wenn alle die Angst haben, sich jetzt zu Hause einschließen würden. 
Wollen wir wirklich so leben? Einfach alles wegsperren, das uns gerade unbequem ist?

Oder wollen wir einander endlich mal wieder die Hand reichen und die Ängste unseres Gegenübers ernst nehmen und respektieren. 
Und auch da: Wenn jemand verdammt nochmal z.B. Angst davor hat, dass ihm die Familie Gates einen Chip mit einer Impfung implantieren möchte, dann hat er das Recht dazu diese Angst zu haben! 
Wenn wir diejenigen sofort, nach nur 2 Worten des Austausches als Idioten beschimpfen, dann sind wir nicht besser als diejenigen, die einem Kind, die schützenden Hände von den Ohren reißen. 

Man kann einen Fremden halt nicht mal eben mit ein paar Facebook Posts vom Gegenteil überzeugen. Wäre ja auch erschreckend, wenn das so einfach wäre. Man kann (und sollte) in den Dialog gehen und dann aber auch irgendwann den Rückzug antreten und wieder Raum geben. Viele Menschen, viele Meinungen. Da können wir uns drehen und wenden wie wir wollen. Das können wir nicht ändern. Wir müssen lernen damit umzugehen (oder alternativ ne Rakete bauen und auf einen unbewohnten Planeten fliegen, damit endlich Ruhe ist. Ha! Elon Musk, jetzt kenne ich deinen Plan!)

Ja, es läuft verdammt viel schief im Moment und ja, ich stehe auch weiterhin dazu, dass man sich gegen Extremisten (unabhängig von Corona!), egal von welcher Seite, laut machen muss (Ich weiß, hierzu könnte und müsste ich eigentlich noch ne ganz andere, detailliertere Abhandlung schreiben. Ist aber nun mal nicht Teil DIESES Blogeintrages). 
Aber ich möchte es nicht mehr mit Hass und blinden Schimpftriaden tun. 
Denn: Einmal alles rauslassen tut gut und muss jedem zugestanden werden, aber sich darin zu verstricken und nicht mehr herauszufinden macht krank. 
Also hört mal genau in euch rein. Fühlt ihr euch gut oder vielleicht schon etwas kränklich?

Nun gut, soweit der Stand heute. Fragt mich in ein paar Wochen nochmal. Ich bin jedenfalls immer wieder fasziniert, was die momentane Situation so aus mir macht und wie man sich so entwickelt. Wer weiß, vielleicht wird aus der dauermampfenden Raupe ja doch noch ein schillernder Schmetterling? .... Nein, niemals! Dafür esse ich zu gerne! ;-)

In diesem Sinne: Bleibt besonnen und aufmerksam!

Stimmung auf der Welt ist aktuell wie wenn Gewitter auf Starkstrom trifft... und die Sonne mischt auch noch n bisschen mit. Und Gras... sehr viel Gras.
Stimmung auf der Welt ist aktuell wie, wenn Gewitter auf Starkstrom trifft... und die Sonne mischt auch noch n bisschen mit. Und Gras... sehr viel Gras.

Montag, 27. Juli 2020

Corona Tag X+138: Die Masken fallen

27.07.2020

Ganz ehrlich Leute, wer heute bei mir positive Vibes sucht, der ist leider fehl am Platz. 
Wem nach pfiffigen Kalauern und kecken Sprüchen giert, dem sei nun dringend angeraten woanders hin zu klicken. Zum lustigen Cartoonisten von nebenan oder meinetwegen zur Comedy Hour auf YouPorn (Gibt’s sowas eigentlich? Wäre ne Überlegung wert…). 
Wie auch immer, bei mir ist das Spaßschnitzel für heute von der Speisekarte gestrichen, denn kurz gesagt: 

Wir sind am Arsch! 

Hach was hatten wir doch zu Beginn der Corona Krise noch für eine kindliche Hoffnung: 
Jetzt kommen die Menschen endlich mal zur Besinnung! Jeder denkt etwas mehr über seine Lebensweise nach, alles wird sich zum Positiven wenden und am Ende tanzen wir alle nackig mit selbstgebackenen Keksen durch den Wald. 
HAAAAHAAAA!!! 
Nix mit Erleuchtung und Friede, Freude, Eierkuchen. 
Anstatt Besonnenheit wird kollektives Durchdrehen praktiziert. 
Jeder kackt jeden an, in Facebook nehmen die Verbalschlachten noch mehr zu (und ich dachte das Greta Thunberg Bashing seinerzeit wäre schlimm gewesen. Wie naiv ich doch war!) und die Vereinsleitung diverser Länder dieser Erde bläst in das gleiche Horn, anstatt zu deeskalieren. Im Gegenteil, man trötet wie blöd darauf los, Hauptsache die eigene Meinung ist laut, Hauptsache das Machtgehabe maskulin genug, es wird in Dezibel gemessen welcher Schwanz im Vergleich am lautesten auf den Tisch knallt. 
Wenn Aliens die Stimmung der Erde gerade abhörten, sie bekämen ein vollkommen chaotisches Orchester kredenzt, das sich nicht einmal mehr Zeit nimmt die Instrumente zu stimmen, sondern so wild drauf los plärrt, dass die Saiten der Gitarre reißen, die Tasten vom Klavier fliegen und die Tuba so klingt als hätte jemand reingefurzt. 
Die „Symphony of Destruction“ wird jedes extraterrestrische Lebewesen für immer von unserem Planeten fernhalten, oder es dazu ermuntern, diesen Erdball so schnell wie möglich in die Luft zu sprengen. Frei nach dem Motto: „Tötet es, bevor es Eier legt!“ 

Ja, man hört, ich bin grad ein wenig unpässlich. Keine Angst, geht auch wieder vorbei. 
Wenn da nicht diese tagtäglichen Ärgernisse wären, die einen immer und immer wieder in diese Spirale drücken. 
Zum Beispiel der Typ gestern im Supermarkt. Genau vorm Obst und Gemüse klingelt sein Handy. Und da MUSS man natürlich dran gehen. Damit man die Olle zu Hause wegen irgendwelcher Nichtigkeiten auch laut genug ankacken kann, MUSS der Mundschutz an Ort und Stelle komplett entfernt werden, um die unverpackte Ware auch fachgerecht mit Sprechspeichel zu emulgieren. 
Ja, am liebsten hätte ich seinen Fernsprechapparat ergriffen und damit einmal den Enddarm seines Besitzers abfotografiert. ...
Denkt man, macht es aber natürlich nicht. 
Vielleicht weil ich feige bin, vielleicht weil ich aber nicht noch mehr Aggression in diese Welt streuen möchte. Aggression, die andere weitaus weniger unter Kontrolle haben. 

Zum Beispiel die Person, die an jedes Geschäft der Nachbarstadt einen Zettel gepinnt hat mit der Information, dass er/sie dort nicht mehr einkaufen würde, so lange sich die Inhaber der Maskenpflicht der Regierung beugen. 
Ja, super Idee. 
Wir wissen ja alle, dass sich der Staat sofort den Stimmen einzelner annimmt, die anstatt mit den richtigen Stellen (Ämter, Politiker,…)  zu kommunizieren, lieber diejenigen treten, die ohnehin schon auf dem Boden liegen. Das ist irgendwie so, als wenn man einem Kleinkind den Lolly wegnimmt, weil einem der eigene Lohnsteuersatz nicht passt. 

Dennoch, ich versuche mich irgendwie wieder ins normale Leben zu kämpfen. In die neue Normalität und die wäre eigentlich gar nicht sooo krass anders, wenn’s nicht immer wieder saures Aufstoßen gäbe.
Demnächst werde ich wohl endlich wieder an einem Poetry Slam teilnehmen, organisiert von sehr tollen, gewissenhaften Veranstaltern. Und dann postet eine Slam Teilnehmerin plötzlich folgenden Spruch auf ihrer Facebook Pinnwand: 

„Alle Menschen, die Angst und Panik wegen den Corona-Virus haben, mögen in Quarantäne bleiben, Mundschutz tragen und sich impfen lassen. Für alle anderen gilt: Lebt euer Leben, geht raus, habt Spaß an eurer Arbeit und feiert das Leben. Das ist Freiheit.“ 

Da ich selber ein recht vorsichtiger Mensch bin (ja, vielleicht gerne auch mal nen Ticken zu vorsichtig), lese ich also als Botschaft für mich daraus:

„Bleib mit deinem feigen Arsch zu Hause! Tritt nicht beim Poetry Slam auf, denn ich lebe mein Leben so wie ich es möchte und werde keinerlei Rücksicht auf dich auf deine Ängste und Sorgen nehmen!“

Ich weiß nicht wie ihr so denkt, aber Menschen die Ängste haben, die vielleicht körperliche Einschränkungen haben, die sich ohnehin schon zu sehr zurückziehen, auf die sollte man zugehen anstatt sie zu Hause wegzusperren. So praktiziere ich jedenfalls Mitgefühl und Zusammenhalt. 
Und wenn das bedeutet, dass ich auf solch einer Veranstaltung eine Maske trage, dann soll es so sein und dann trage ich diese mit Stolz.

Damit eben JEDER die Chance hat dort auftreten zu können, ob mit oder ohne körperliche Beeinträchtigung, ob mit oder ohne Angst. Und damit auch im Publikum Menschen sitzen und Kultur genießen können, ohne Angst haben zu müssen, dass jemand sie aufgrund seines Freiheitsdranges infizieren könnte. 
Einfache Maßnahmen ermöglichen ein größeres, weit gefächertes Publikum, zahlende Gäste für die Veranstalter, potentielle Kunden für die dort auftretenden Künstler, die gerade wahrlich genug zu knapsen haben. All das, zerstört durch den Freiheitsdrang einzelner? 
Wenn das unter Freiheit zu verstehen ist, dann möchte ich diese Freiheit nicht haben. 

Für mich würde der Spruch wie folgt lauten: 

„Lebt euer Leben, geht raus, haltet Abstand und bewahrt Anstand, nehmt Rücksicht aufeinander, habt Spaß an eurer Arbeit und feiert gemeinsam mit gegenseitigem Respekt das Leben. Das ist Freiheit!“ 

Ja, die Masken fallen, im wahrsten Sinne des Wortes. Ich weiss noch nicht, ob die Gesichter, die darunter zum Vorschein kommen, die von stolzen Freiheitskämpfern sind oder eigentlich nur verzerrte Fratzen voller Egoismus und Selbstsucht. 
Beobachtet einfach mal selber.

In diesem Sinne trotz allem: Stay positive! 

Wenn man sich mit Maske vor ein usseliges Graffiti stellt, wirkt es sofort so,
als hätte man das Dingen selber dahin gesprüht.  

Dienstag, 5. Mai 2020

Corona Tag X+55: Alltag

05.05.2020

Liebes Tagebuch...

Bitte WAS???!!!
Wie viele Tage sind seit meinem letzten Eintrag hier vergangen? Vierundvierzig?!!?? 
Ich bin tatsächlich baff. 
Einerseits darüber, dass ich über einen Monat lang nichts mehr geschrieben habe, andererseits darüber, wie lange wir jetzt schon in der ganzen Corona Situation hängen. 
Inzwischen fühle ich mich in der Isolation ein bisschen wie Tom Hanks auf seiner verlassenen Insel. Aber im Gegensatz zu einem stummen Volleyball, habe ich immerhin einen recht redseligen Zweijährigen an meiner Seite. Wobei, die Tatsache, dass er mir das Wort „Mama“ in gefühlt dreitausend Tonlagen und Lautstärken immerfort um die Ohren haut, macht die Situation nicht zwingend einfacher. 
Ich darf mich ja wirklich nicht beschweren. Wir haben ein großes Haus mit Garten und ich muss mir in der Elternzeit, nicht, wie so viele, unbeneidenswerte Menschen, Kind (Homeschooling), Haushalt UND Homeoffice gleichzeitig um die Ohren schlagen. Dennoch sehne ich mich mitunter auch nach Kontakten, die nicht fünf Tage am Stück mit mir im Sandkasten Kindergeburtstag spielen wollen und mich dabei mit Sandkuchen füttern. Dazu noch das Loblied auf das fiktive Geburtstagskind in Dauerschleife:

 „Happy Birthday to you, 
Marmelade im Schuh, 
Aprikose in der Hose, 
Happy Birthday to you!“ 

Spätestens jetzt bereut man bitterlich, dem Zögling kein vernünftiges Liedgut beigebracht zu haben. 

Ich habe zwischendurch schon überlegt, mich zur Abwechslung einfach mal spontan in irgendeine Videokonferenz einzuhacken. 
Mit Chipstüte und Bademantel plötzlich bei Siemens im Vorstandsgespräch aufpoppen und den verdutzten Business Leuten mit halb vollem Mund sagen: „Machen Se ruhig weiter. Lassen Sie sich von mir nicht stören.“ 

Stattdessen tigere ich wie ein hungriges Raubtier, Tag für Tag durch die (a)sozialen Netze, auf der Suche nach Trost und Unterhaltung. Doch da herrscht nur noch Mord und Totschlag. Selbst im Ikea geht es, seit Einführung der neuen Abstandsregelung, gesitteter zu. 

Vorbei sind auch die Zeiten, in denen ich eine der Wenigen war, die freiwillig im Laden eine Gesichtsmaske getragen haben. „Damals“ konnte man sich an der Kasse wenigstens noch den Weg freibahnen indem man unter dem Gesichtskostüm einfach laut rief: „Ich bin Arzt! Lassen Sie mich durch!“ 
Mittlerweile muss halt jeder so ein Teil tragen. …Was vielleicht auch erklärt, dass sich alle plötzlich so aufführen als hätten sie Medizin studiert. 

Immerhin fällt es unter so einer Maske nicht auf, dass mein Gesicht mittlerweile so aussieht als hätte ich in ner Packung Dickmanns geschlafen. Mir wird langsam bewusst, dass die wöchentlichen Termine bei Krabbelgruppe, Kinderturnen und Babyschwimmen wohl eher der Mutti als Fitnessprogramm und Beschäftigungstherapie dienten, anstatt den Sohnemann zu entertainen. Der schlägt sich in dieser Krise nämlich hervorragend und zeigt keine Spur von Ermüdung… auch nicht Nachts. Meine Augen sind mittlerweile zu kleinen Schlitzen verkommen, so dass ich mit Gesichtsmaske aussehe wie ein verkleideter Briefkasten. 

Und über die Frisur, darüber möchte ich eigentlich gar nicht reden. Ich glaube nicht mal, dass es ein Haaransatz ist, der sich da über meinem Kopf ausbreitet. Viel mehr bin ich der Überzeugung, dass diese grauen Dinger auf meinem Haupt eigentlich geschmolzene Gehirnmasse sind, die sich träge durch die Poren meiner Kopfhaut drückt, als würde man ein Pfund Knete durch ein Teesieb quetschen. 

Ja, mir fehlt die Abwechslung außerhalb des Hauses, ja mir fehlen Erwachsenengespräche und nur per WhatsApp oder Telefon ist es irgendwie trotz allem, nicht das Gleiche. Aber es hilft ja alles nix. Ich bin nicht die Einzige, die da durch muss und das verschafft mir dann doch immer wieder etwas Trost und Mut. Wir ziehen alle an einem Strang. 
Wir sind auf paradoxe Art und Weise, eben NICHT allein.  

Ich für meinen Teil habe dann heute mal etwas Abwechslung auf den Stundenplan gebracht. Sohnemann ab ins Auto verfrachtet und die Oma besucht. Bevor jetzt alle die gut gewaschenen Hände über dem Kopf zusammenschlagen: Wir standen in einigen Metern Entfernung vor ihrem Balkon. Anschließend ging ich mit dem Nachwuchs zum nahe gelegenen Bach, wo er kleine Steine sammelte und diese vergnügt in das Gewässer warf. Bei jedem lauten Platscher gluckste er vor Freude. 
Und dann passierte etwas Wunderbares: Neben dem Bach gibt es ein Altenheim und aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie sich immer mehr Fenster öffneten und weißhaarige Menschen mit sehnsüchtigem Lächeln die Szenerie beobachteten. 
Da spielte dieser kleine, unbedarfte Junge mit seinen Steinchen und lachte so hell und unschuldig, dass es sich anfühlte als risse er alle Steine von unseren Herzen, um sie anschließend auf Nimmerwiedersehen im Bach zu versenken. 
Doch der Tag neigte sich dem Ende zu und ich erinnerte den kleinen Mann daran, dass wir jetzt langsam mal wieder nach Hause fahren müssen...
Daraufhin schmiss er sich auf den Boden, brüllte wie ein Kakadu auf Speed und warf mit Dreck nach mir. Hinter mir hörte ich, wie sämtliche Fenster des Altenheims nahezu synchron verschlossen wurden. Dahinter schüttelten weißhaarige Menschen verächtlich ihre Köpfe.

Ha! Plot Twist, wa?
Ihr hattet jetzt gedacht, dass ich euch hier mit ner rührigen Geschichte den Abend versüße. 
War wohl nix, denn manchmal sind kleine Jungs mitten in der Trotzphase einfach nur anstrengende Rotzbengel und Senioren einfach nur meckernde Menschen, denen Rotzbengel auf die Nerven gehen. 
Aber mal ganz ehrlich: Das ist auch gut so. Denn das ist menschlich und halt auch ganz normaler Alltag. 
Alltag, den wir uns alle irgendwie wieder herbeisehnen.

In diesem Sinne: Bleibt positiv und ernährt euch… nicht so wie ich.