05.02.2017
Es gibt Dinge, die sollte man einfach nicht tun.
Dazu gehören unter
anderem:
Kochendes Wasser trinken, mit 150 Km/h vor eine Betonwand fahren oder
aber mit einer Gabel in einer Steckdose herumporkeln.
Das kann man machen, man sollte
sich aber nicht wundern, wenn es einem danach körperlich nicht ganz so gut
geht.
Ich bin da ja eher der Skeptiker.
Was, wenn das alles nur fantastische
Horrorszenarien der Lügenpresse sind?
Was wenn es gar nicht so schlimm ist?
Jene Art von Skepsis, gepaart mit einem Schuss Abenteuerlust, hat schon in
meiner Kindheit dazu geführt, dass die Herdplatte erst dann als tatsächlich
heiß anerkannt wurde, wenn die Haut der Handinnenfläche daran kleben geblieben
ist. Da konnte Mutter vorher noch so viel predigen.
Ähnliche Neugier verleitete
mich in meiner Jugend im Übrigen auch dazu diverse Elektrogeräte genauer unter
die Lupe zu nehmen.
Wie konnte es sein, dass aus einem Walkman Musik kam? Wie
funktionierte das?
Mein Physiklehrer hätte mir noch tagelang die besten Folgen
der Knoff Hoff Show vorführen können. Meine Meinung war: Joachim Bublath lügt
und ich glaube es erst, wenn ich es mit meinen eigenen Augen gesehen hatte.
Also wurde das gute, alte, mobile Kassettenabspielgerät schneller in alle
Einzelteile zerlegt als meine Eltern mir den Hintern hätten versohlen können.
Doch diese Art der Strafe war gar nicht nötig, saß ich doch am Ende vor einem
Schrauben- und Platinenhaufen, gegen den die Einzelteile einer Ikea Kommode wie
eine gut sortierte Bibliothek wirkten. Niemand konnte das Ding wieder
zusammensetzen. Nicht mal der Radio- und Fernsehtechniker.
Aber aus Fehlern lernt man… Sollte man meinen.
Man sollte auch meinen,
dass ich inzwischen eine erwachsene Frau bin. Tief im Herzen bin ich aber immer
noch das zwölfjährige Mädchen, das dem Papa Sekundenkleber auf die nagelneue
Schreibmaschine geschmiert hat um zu testen ob seine Finger daran klebenbleiben
(aber das ist eine andere Geschichte).
So kam es also, dass ich eines Morgens
im Badezimmer stand und mir dachte: "Was passiert eigentlich, wenn ich mir
diese quietschblaue Farbe in meine frisch blondierten Haare schmiere?" Nun was
soll ich sagen. Es sah tatsächlich ganz gut aus. Für die ersten drei Sekunden
in denen die Farbe meine Haare touchierte. Dann mutierte das Blau plötzlich zu
einem Chemieunfall-Grün und mein Gehirn, dass nur wenige Zentimeter unter dem
Haaransatz plötzlich befürchtete bleibende Schäden zu erleiden, stieß eine
letzte Warnung aus. Ich gehorchte. Bevor die Haarfarbe sich überhaupt richtig
verteilt hatte, wurde sie schon wieder abgespült. Ob ihr es glaubt oder nicht,
das Resultat sah eigentlich ganz gut aus!
Ehrlich!
Ein pastelliger Ton
schmückte meinen Haaransatz, eigentlich genau das was ich mir erhofft hatte.
Dummerweise erstreckte sich dieser Farbton nur über Teile meines Haupthaars, da
ich die restlichen Strähnen vor Schreck gar nicht erst eingefärbt hatte.
Ich
hatte nun also einen pastellblau-grün-gefleckten Leopardenkopf.
Nach fünf Haarwäschen und keinerlei Veränderung wurde mir bewusst, dass diese Idee mit den bunten Haaren
irgendwie doch nicht die beste war.
Aber was nun? Selber daran weiter fummeln
oder doch lieber jemanden kontaktieren, der sich damit auskennt.
Ich entschied
mich für die zweite Variante… und machte damit einen kleinen Chemieunfall zu
einer nuklearen Katastrophe.
Das zwölfjährige Mädchen in mir wurde trotzig und
der falsche Stolz ließ nicht zu, dass
ich zu meiner Stammfriseurin ging.
Was sollte die denn von mir denken?
Nein,
einfach heimlich woanders hin, dann fällt das nach drei Wochen bestimmt gar
nicht mehr auf. … Dachte ich.
Im Ausweichsalon sah man mich an als hätte ich zu
viele bewusstseinserweiternde Substanzen zu mir genommen. Dabei fand ich die
Farbe ansich doch eigentlich richtig cool! Ich wollte sie nur gleichmäßig auf
meinem Kopf verteilt haben.
Das schien für die Mitarbeiter dort aber ein Ding
der Unmöglichkeit. Mir wurde ein zweistündiger Vortrag gehalten wie blöd ich
doch war und dass diese spezielle Farbe, nie wieder raus zu bekommen sei.
Alternative wäre: Haare dunkel färben oder „wat knalliges drüber“.
Das war die
falsche Aussage, denn wer mich kennt der weiß: Bei bunt und knallig leuchten
glitzernde Herzchen in meinen Augen.
„Pass auf, isch tu dir da blaue
Strähnschen drauf machen“, sagt die Dame im Ausweichsalon und dann nimmt das
Unglück seinen Lauf. Während ich in meiner Fantasie noch von wellig, blauem, Prinzessinnen-Mermaid
Hair träume, färbt sie etwas auf meinen Kopf, das mein Leben auf eine
drastische Art verändern sollte.
Im ersten Moment sieht es sogar noch ganz nett
aus, doch als ich ans Tageslicht trete, scheint es als hätte man mich in eine
Parallelwelt gebeamt.
Irgendetwas ist anders. Meine Mitmenschen verhalten sich
...seltsam.
Ich wechsle wirklich ständig meine Haarfarbe und habe schon
die verrücktesten Farbkombinationen ausprobiert, aber noch nie, NOCH NIE (!)
sah ich aus wie ein Schalke 04 Streifenhörnchen auf einem LSD Trip!
Darauf
kommt mein Umfeld irgendwie gar nicht klar. Es sind lächerliche zwei Minuten,
die ich vom Friseursalon bis zur nächsten Bäckerei brauche.
Zwei Minuten in
denen ich ein letztes Mal das Gefühl habe, irgendwie cool aus zu sehen.
Es ist
der Moment als die Bäckereifachverkäuferin aufblickt und vor Schreck fast
kopfüber in die Teilchenauslage fällt.
„Ach du Scheiße! Sind das ihre echten
Haare?“
In meinem Herz zerbricht irgendetwas, aber ich schlage mich wacker. Ich
wollte es bunt, also stehe ich auch dazu.
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Wenn man die alternativen Fakten betrachtet, sieht das hier wunderschön aus! :-) |
Doch die Blicke meiner Mitmenschen
werden plötzlich wie von einem viel zu starken Magneten angezogen.
Sie blenden alles,
was mich ausmacht aus.
Sie übersehen mein freundliches Lächeln, überhören wie
ich sie begrüße.
Sie nehmen nur noch das grünblaue Desaster auf meinem Kopf war.
Und ihre Blicke spiegeln etwas wieder, dass ich so noch nie so intensiv am eigenen Leib zu spüren bekommen habe.
Verwunderung, Entsetzen, … Abschaum.
Das Einzige was sich an mir verändert hat ist meine Haarfarbe und doch
scheine ich plötzlich jemand ganz anderes zu sein.
Ich bin eine verwirrte Frau,
die auf einmal nicht mehr ernst genommen wird.
Ich bin eine Person, die
irgendetwas Zwielichtiges im Schilde zu führen scheint.
Ich bin ein Mensch den
man nicht mehr ernst nehmen muss.
Ich bin der Teil der Gesellschaft, den man ab
jetzt respektlos behandeln kann.
In den darauf folgenden Tagen passieren
seltsame Dinge.
Im Restaurant werde ich als letztes bedient. Während der Kellner
sich höflich mit meiner Begleitung unterhält werde ich nur sporadisch
angesprochen. Es scheint fast so als hätte man Angst, dass ich irgendeine
ansteckende Krankheit habe.
Die Kassierer/innen im Supermarkt lächeln mich
nicht mehr an. Betrete ich ein Geschäft drehen sich Leute ungeniert nach mir um
und glotzen mich an wie Rehe, die nachts im Scheinwerferlicht eines Autos
auftauchen.
Doch ich will das jetzt durchziehen. Verdammt es sind meine Haare
und niemand hat mir vorzuschreiben wie ich rumlaufen soll. Leben und Leben
lassen. So schwer kann das doch nicht sein?
Aber es ist schwer.
Jeden Tag
potenziert sich die Anzahl der abwertenden Blicke.
Sie reiben über meine Haut,
wie grobkörniges Schleifpapier. Anfangs halte ich es noch aus, aber nach ein
paar Tagen entzündet sich diese Haut. Die Blicke beginnen zu schmerzen, sie
reißen plötzlich Wunden auf und gönnen mir keine Erholung um diese wieder
gesund zu pflegen.
Minütlich werde ich konfrontiert von Leuten, deren Gesicht
offen wiederspiegelt was sie von mir halten und welche Meinung sie sich gerade
von mir bilden. Verschwindend gering ist die Anzahl der Menschen, die mir einfach
offen sagen, dass sie es scheiße finden, danach aber weiterhin normal mit mir
umgehen. Das ist ok! Damit kann ich leben. Meine Güte, es sind schließlich
grüne Haare. Natürlich findet die nicht jeder toll.
Und da wird mir plötzlich
bewusst, was ich gerade tatsächlich erlebe.
Ich habe nur grüne Haare, aber wie
fühlen sich diese bewertenden Blicke erst an für jemanden, den die Gesellschaft
aufgrund seines Gewichtes nicht anerkennt?
Wie fühlt es sich erst an für jemanden,
der wegen seiner Hautfarbe, Herkunft oder Religion sofort als gefährlich
eingestuft wird?
Wie fühlt es sich erst an für jemanden, der wegen einer Behinderung
als lästig oder störend empfunden wird?
Und ich? Ich habe lediglich grüne Haare
und gebe bereits nach wenigen Tagen auf.
Das Selbstbewusstsein immer und immer wieder
beleben zu müssen, wenn es erneut von einem Vorurteil niedergeknüppelt wurde,
ist verdammt anstrengend.
Wie ein geschlagener Hund beichte ich meiner
Friseurin das Malheur.
Innerlich bereite ich mich bereits auf einen
Kurzhaarschnitt vor, aber sie und ihr Team vollbringen ein Wunder und nach
einem fünfstündigen Marathon auf dem Friseurstuhl werde ich zurück in meine
altbekannte Welt gebeamt.
Die Leute gehen auf einmal wieder an mir vorbei ohne
sich die Köpfe zu verrenken.
Ihre Augen verweilen auf meinem Gesicht, sie
erwidern mein Lächeln und reden normal mit mir.
Ich verurteile niemanden dafür, es war schließlich ein Unfall an dem man nicht vorbeisehen kann.
Vermutlich verhalte ich mich manchmal auch nicht viel besser.
Manche Situationen überfordern
einfach, das ist ok.
Das Wichtigste ist aber, dass man danach über seinen
Schatten springt, die selbst ausgemalten Vorurteile beiseite fegt und den
Menschen unabhängig von Gewicht, Hautfarbe, Körperlichkeit, Geschlecht oder
eben der Haarfarbe, so akzeptiert wie er ist. Nämlich ein Mensch und menschlich
sind wir nun mal alle.
Und darum ist das hier kein Hair Tutorial.
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Back in Grey! (Und anscheinend von der Gesellschaft wieder anerkannt)
In diesem Sinne:
Stay Professional
Sehr professionell sind übrigens auch die Mädels vom Damensalon Schorde in Wipperfürth, die es geschafft haben die Haare wieder in optischen Normalzustand zu versetzen. Danke nochmal dafür! *knutsch*
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